Erich Wolfgang Korngold
1897 - 1957
Als Sohn des gefürchteten »Presse«-Musikkritikers Julius Korngold hatte es das Wunderkind Erich nicht einfach. Zwar konnte der Herr Papa alle Wege ebnen, die zu Begegnungen mit bedeutenden Interpreten führten. Doch die Mitwelt schielte neidisch auf die Möglichkeiten, die schon der Zehn- oder Elfjährige geboten bekam.
Erich war 13, als seine erste Klaviersonate erschien und seine Ballettmusik. Der Schneemann auf der Bühne der Wiener Hofoper herauskam. Wobei → Alexander von Zemlinsky die Orchestrierung der vom jugendlichen Komponisten im Klavierauszug notierten Musik besorgt hatte.
Doch gerade als Meister der schillernden Orchesterklänge wurde Erich Wolfgang Korngold bald selbst zur Legende.
Wenn der so weitermacht, können wir alle einpacken,
soll Richard Strauss angesichts der leuchkräftig instrumentierten Partitur von Korngolds Sinfonietta gesagt haben. Doch förderte Strauss als Dirigent die frühe Karriere des »Konkurrenten« entschieden.
Frühe Opern und Symphonik
Erste einaktiger Opern-Versuche des 19jährigen ließen ebenso aufhorchen wie die symphonischen Jugendwerke, darunter die exquisite Sinfonietta in B-Dur, op. 5 von 1912.
Mit der Uraufführung der Oper → Die tote Stadt, deren Libretto Vater Julius Korngold unter dem Pseudonym Paul Schott geschrieben hatte, war der Weltrum des gerade einmal
23jährigen Erich W. Korngold besiegelt. Das Werk wurde zu dem Kassenschlager und egalisierte zu Zeiten sogar die finanziellen Erfolge des unbestrittenen Opern-Meisters dieser Ära, Richard Strauss.
Auf Novitäten aus der Feder von Korngold wartete das Publikum in der Folge ebenso gespannt wie auf Strauss-Premieren. Und für Schlagzeilen sorgten um 1928 herum die Uraufführungen von »Skandalstücken« wie Ernst Kreneks Jonny spielt auf ebenso wie Korngold Das Wunder der Heliane oder Strauss' Die ägyptische Helena.
Zur Feier der Erfolge von neuen Opern brachte die österreichische Tabak-Regie damals sogar neue Zigaretten- bzw. Zigarrenmarken in den Handel. Wobei die Sorte, die nach Kreneks Zeit-Oper benannt wurde, sich jahrzehntelanger Beliebtheit erfreute, wärhend die noble Heliane bald wieder aus dem Sortiment gestrichen wurde.
Das Wunder der Heliane konnte denn auch nicht mehr an die sensationelle Aufführungsquote der Toten Stadt heranreichen und verschwand auch wegen des ungeheuren Aufwands, der für eine szenische Realisierung erforderlich ist, bald von den Spielplänen.
Als die Christlichsozialen 1931 im Parlament einen Antrag auf Einhebung einer »Kunststeuer« einbrachten, meinte Korngold auf eine Umfrage des »Kikeriki« in Anspielung auf die sinkenden Aufführungszahlen seiner Werke:
November 1931
(Kikeriki)
Aufbruch nach Hollywood
Anfang der Dreißigerjahre holte der Regisseur Max Reinhardt den Komponisten für die musikalische Untermalung der Verfilmung seiner Shakespeare-Inszenierung Ein Sommernachtstraum nach Hollywood.
Das sollte sich als Rettungsanker für Korngold entpuppen, der vor dem in Europa immer unerträglicher anwachsenden Antisemitismus mit seinem Vater in die USA emigrierte und dort an der Seite des Wieners Max Steiner zu dem Konponisten für Filmmusik wurde.
Das bedeutete Fluch und Segen zugleich. Während Korngold seinem musikalischen Stil treu blieb und damit dem unverwechselbaren Hollywood-Sound seinen Stempel aufprägte, hörte die Nachwelt seine Opern- und Konzertmusik bald unter dem Motto:
Das klingt wie Filmmusik!
Zudem hatte sich der Komponist geschworen, so lange Hitler in Europa an der Macht sei, keine Musik ernsthaften Charakters mehr komponieren zu wollen.
Tatsächlich vollendete er unter Einbeziehung von etlichen Film-Scores aus seiner Feder, erst nach 1945 die Partitur eines für Jascha Heifetz gedachten → Violinkonzerts.
Mittlerweile weiß die Welt, daß dieses Stück zu den brillantesten Konzertwerken des XX. Jahrhunderts gezählt werden darf. Doch über Jahrzehnte kannten die Partitur nur Eingeweihte. Die Plattenaufnahme von Heifetz blieb die einzig Erhätliche Version - und war lange Zeit nur in Antiquariaten überhaupt aufzutreiben.
Erst die Korngold-Renaissance in den Jahren um die Jahrtausendwende brachte die Musik dieses Meisters wieder einem breiten Publikum zur Kenntnis. Zu den bitteren Enttäuschungen, die Korngold erleben mußte, gehörte etwa auch die Uraufführung seines letzten großen Orchesterwerks in Wien: Die Philharmoniker spielten 1953 immerhin unter Wilhelm Furtwänglers Leitung Thema und Variationen. Doch litt die Wiedergabe unter mangelhafter Vorbereitung - Korngolds Musik blieb auf Jahrzehnte aus den Opernhäusern und Konzertsälen verbannt, auch wenn sie nach 1945 längst nicht mehr als "entartet" und "unerwünscht" galt.
Einer der führenden Komponisten der "gemäßigten Moderne" starb 60-jährig, von der Musikwelt aufs Abstellgleis des "erfolgreichen Filmmusikers" gestellt.