Symphonie in Fis
Erich Wolfgang Korngold
Ein später Ausflug in die Regionen der klassische Form (1947-1952).
Keine Note für den Konzertsaal wollte Erich Wolfgang Korngold komponieren, so lange Hitler in Deutschland an der Macht war. Er hat diesen Schwur kaum gebrochen. Nach 1945 brachte er freilich noch einige bedeutende Werke heraus, neben dem Violinkonzert ist die viersätzige Symphonie in Fis, Korngolds einzige!, das ehrgeizigste.
Niemand Geringerer als der Dirigent Dimitri Mitropoulos meinte, als er die Partitur kennenlernte, dies sei der große symphonische Wurf der Nachkriegsepoche, auf den er gewartet habe. Doch Mitropoulos starb, ehe er sich des Werks annehmen konnte. Und für die Dirigenten-Kollegen schien Korngolds später Ausflug in die Gefilde der klassischen Großform in der Nachkriegsäre zu »unmodern«. Der einstige Star war zum »typischen Filmmusik-Schreiber« geworden. Eine Symphonie schien in der Ära der seriellen Musik ohnehin überholt...
Korngold hatte sein Werk 1947 begonnen, doch der Löwenanteil der Arbeit entstand 1951/52. Die Uraufführung fand in Wien statt, in der Stadt der früheren Triumphe. Doch im Nachkriegs-Wien hatte man keine Ohren mehr für Korngolds üppig orchestrierte, Spätromantik.
Es dauerte bis 1972, bis zur verdienstvollen Aufnahme, die Rudolf Kempe im Schallplattenstudio machte, daß die Welt darauf aufmerksam wurde: Der Meister der Toten Stadt, die damals auch kauj gespielt wurde, hatte auch eine Symphonie komponiert.
Doch es dauerte bis in die Zeit der »Postmoderne«, daß man die mit feinen Dissonanzen gewürzte Klangsprache dieses Komponisten wieder zu schätzen wußte.
Formal ist das Werk meisterlich gelungen, definiert auf fantasievolle Weise die klassischen Symphoniesätze neu.
Der Eingangssatz ist ein satt orchestrierter Sonatensatz mit drei Themen, die einer kunstvollen, vor allem farblich raffiniert abgemischten Durchführung zugeführt werden.
Das Scherzo hebt mit einem frechen Flötenmotiv an, von scharf rhythmisierten Streicherakkorden zu einer abenteuerlichen harmonischen Abenteuerreise vorangetrieben. Ein ruhiges Trio, exotisch gefärbt, sorgt für den nötigen Kontrast. nach Beethovens Vorbild spielt Korngold mit einer scheinbaren Wiederholung des Trio-Teils nach der Scherzoreprise, bricht das Geschehen dann aber mit einer Schlußkadenz brüsk ab.
Der langsame Satz gehört zu Korngold schönsten Eingebungen, ein majestätischer melodischer Fluß aus zwei miteinander verquickten Themen, dessen Intensität sich in Wellen steigert und einem gewaltigen Höhepunkt zugeführt wird. Vor der letzten Steigerungswelle findet sich einer der apartesten Instrumentations-Finessen Korngold, ein Dialog von Soloflöte, Streichern und der Harfe, die im tiefsten Register das Hauptthema wieder einführt.
Das Finale bricht schroff in die verhaltene Trauer-Stimmung des Adagio-Schlusses herein, die Holzbläser präsentierten eine Variante des Flötenthemas aus dem ersten Satz in galoppierendem Rhythmus. Die Streicher setzten eine üppige melodische Linie dagegen. Der wirbelnde Duktus der Musik wird aber in keinem Moment verlassen - die Durchführungspartie im Zentrum des Satzes steuert auf einige visionäre Erinnerungen an Momente der vergangenen Sätze zu und beschwört bald eine kraftvolle Wiederkehr des Eingangsthemas des ersten Satzes herauf. Der Fortführung der beschwingten Final-Bewegung ist daraufhin kein langes Leben beschieden: Die Musik verharrt einige Momente in beschaulich-nachdenklicher Introspektion, ehe eine heftig aufwallende Coda, fast trotzig den kraftvollen Schlußpunkt setzt.
John Wilson hat mit der »Sinfonia of London« eine brillante Aufnahme dieser Symphonie vorgelegt, die vor allem die brisanten, dramatischen Ballungen der Musik eindrucksvoll - und klanglich wunderbar differenziert vorführt. Im langsamen Satz vermeidet der Dirigent jegliche Larmoyanz, setzt vor allem auf die akribische Aufhellung der farblichen Mixturen, die oft von Takt zu Takt changieren und nicht selten herb dissonierende Abenteuer riskieren. Auch die Kopplung ist spannend: Neben Korngolds allerletztem Orchesterwerk, der leuchtkräftig orchestrierten Johann-Strauß-Hommage »Straussiana«, gibt es das 1952 zwischen der Symphonie und den Straussiana entstandene Spätwerk Theme and Variations op. 42.(Chandos)