Schon zu Lebzeiten des Dirigenten waren → Carlos Kleibers Wiener Beethoven-Aufnahmen legendär. Die Fünfte steht in ihrer mitreißenden, stetig vorwärtstreibenden Kraft tatsächlich auf der Liste der allerbesten Beethoven-Aufnahmen.

Nicht zu verwechseln mit den Wiener Philharmonikern rekrutierte sich das »Orchester der Wiener Staatsoper«, das in den Fünfzigerjahren für das Label Westminster aufnahm, vorrangig aus Musikern, die in der Wiener Volksoper musizierten, die bis 1955 ebenfalls vom Ensemble der Staatsoper bespielt wurde.

→ Hermann Scherchen hat einen Beethoven-Zyklus mit höchst energetischen, ungemein rasanten Aufnahmen realisiert, von denen die Eroica die energetischste und rasanteste ist. Explosiver klingt der erste Satz nicht einmal bei Toscanini und wenn auch die Kraftreserven im Finale schon zur Neige zu gehen drohen, bleibt diese Platte doch ein Muß in jeder gut bestückten Sammlung.

Aus der Fülle an Gesamtaufnahmen eine herauszugreifen, ist gewagt. Aber doch: Wer die klangtechnische Hürde nimmt, wird mit den Mitschnitten aus New York aus den vierziger und fünfziger Jahren seine Freude haben: → Bruno Walter, noch nicht so abgeklärt wie später im Studio mit seinem Columbia Symphony Orchestra (wiewohl auch diese Einspielungen viel für sich haben!) präsentiert Beethoven wirklich von allen Seiten: wild, ungestüm, dann wieder zärtlich und poetisch, dramatisch, dann wieder witzig und verschmitzt - ein Pandämonium, das nie an Spannung verliert.

Herbert von Karajan hat viermal alle neun Beethoven-Symphonien im Studio aufgenommen und die Neunte unzählige Male aufgeführt, wovon etliche Livemitschnitte existieren. Die Neunte gelang ihm geradezu vollkommen für seine dritte Gesamtaufnahme, die in Berlin zum Beethovenjahr 1977 entstanden - und damals von vielen Kommentatoren als höchst überflüssig bezeichnet wurde; schon der wahrhaft himmlische langsame Satz entkräftet diese These: Schöner ist diese Musik vielleicht nie gespielt worden. Tiefgründiger vielleicht - wer damt beginnt, sich in Beethovens Musik zu vertiefen, auf den warten wunderbare Entdeckungen bei Dirigenten wie → Wilhelm Furtwängler oder → Erich Kleiber. Fürs erste aber ist ihm mit Karajans Studio-Produktion Nr. 3 gut gedient.

Wer sich einen Überblick über die unerschöpflichen Möglichkeiten verschaffen möchte, die musikalische Interpretationskunst bietet, sollte sich nicht nur an die angeblich »historisch informierten« Dirigenten der Gegenwart halten, sondern sich auch am anderen Ende der Skala umhören: Bei → Willem Mengelberg lernt man, was aus einer Partitur alles herauszulesen sein kann und wie freudig, ja jauchzend das von Beethoven ausdrücklich so genannte

Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande

klingen kann. Subjektivistisch, gewiß, aber mindestens so aufregend wie die viel gemesseneren Darstellungen aus jüngerer Vergangenheit oder Gegenwart. Und die genannte Beschreigung des Inhalts dieser Musik stammt ja immerhin ebenso von Beethoven wie die Vorschrift Allegro ma non troppo...