Der Messias
Zur Quellenlage
Der Messias gilt als Georg Friedrich Händels absolutes Meisterwerk. Häufig waren Aufführungen noch zu Lebzeiten des Komponisten, obwohl die Urauführung in Dublin, aber auch die folgenden Versuche in London keineswegs erfolgversprechend verliefen. Entsprechend unsicher ist die Quellenlage, wenn es darum geht, eine endgültige Version der Partitur herstellen zu wollen. Es gibt sie schlicht und einfach nicht. Denn der Komponist selbst war unzufrieden mit der Premiere und stellte in der Folge jedesmal wieder eine neue Version der Partitur her, ehe er daran ging, das Werk wieder einzustudieren: In London geschah das erstmals im März 1743, dann wieder 1745 und 1749. Den Ur-Messias, der innerhalb dreier Wochen im August und September 1741 entstanden war, hat Händel nie wieder dirigiert.Durchbruch im Waisenhaus
Erst die Aufführung im Jahr 1750 im Hospital für Waisenkinder in London brachte die Wende: Von diesem Moment an hatten die englischen Musikfreunde mit dem Messias ihr Lieblings-Oratorium gefunden, das es über zwei Jahrhunderte lang bleiben sollte.Verschiedene Fassungen
Durch die wiederholte Neueinstudierung des Messias durch Händel selbst gibt es von vielen Passagen der Partitur mehrere Fassungen. Allein die Arie He shall feed his Flock gibt es in drei unterschiedlichen Versionen von Händels eigener Hand: eine für Sopran, eine für Alt-Solo und eine, in der beide Stimmen zu hören sind.Gravierender noch Veränderungen, die Händel an einer Nummer wie Rejoice greatly vorgenommen hat. Die Musik stand ursprünglich im 12/8-Takt und sollte die Bewegung eines fröhlichen Tanzsatzes - etwa einer Gigue - haben. Dei Einstudierung von 1749 präsentierte das Stück dann aber im 4/4-Takt, was deutlich gravitätischere Wirkung macht - und in den meisten Druckausgaben, die seit dem XIX. Jahrhundert verwendet wurde beibehalten wurde.
Orchestergröße
Wichtig für die Beschäftigung mit aufführungspraktischen Fragen ist das Wissen um die bis in die Zeit der Wiener Klassik und weit darüber hinaus übliche Verdoppelung und Verdreifachung von Bläserstimmen bei Streicherbesetzungen ab etwa acht ersten Violinen. Mozart beschreibt sie uns in einem Brief über die Wiener Erstaufführung seiner Pariser Symphonie, für Händels Oratorien-Aufführungen ist die Praxis zweifelsfrei belegt. Hier spielten bis zu acht Oboen (bei lediglich zwei notierten Stimmen). Anmerkungen wie »Ripieno« und »senza Ripieno« in den originalen Aufführungsmaterialien - hie und da sogar von Händels eigener Hand - beweisen, daß Passagen von kleineren, andere wieder von der vollen Besetzung musiziert wurden. Aufführungen mit nur einem Spieler pro Stimme verfälschen also jedenfalls das usprüngliche Klangbild - wenn sie auch in einem sehr kleinen Saal akustisch zulässig sein mögen.