Morales, Brigadier (Bariton)
Dancairo und Remendado, Schmuggler (Tenor und Bariton)
Frasquita und Mercédès, Zigeunerinnen (Sopran und Alt)
Sevilla um 1820
ERSTER AKT
Platz vor der Zigarettenfabrik in Sevilla - Soldaten, Händler, mitten im Gewimmel stellen Kinder (»Avec la garde montante«) eine militärische Wachablöse nach.
Während der Arbeitspause flirten die Zigarettenarbeiterinnen mit den Männern der Stadt.
Szene und Chor Hier können Orchester und Dirigent zeigen, daß sie in diesem Stück ein gewichtiges Wort mitzureden haben: Bizets Orchestrierung ist von äußerster Delikatesse und mischt die Farben zwischen Streichern und Holzbläsern geradezu impressionistisch feinsinnig ab.
Carmen ist eine von ihnen, von allen umschwärmt, wirft sie Don José eine Rose zu. Der scheint unbeeindruckt.
Die Auftrittsarie der Carmen gehört zu den populärsten Opernnummern aller Zeiten - und war in Bizets ursprünglicher Partitur gar nicht enthalten. (Elina Garanca hat auf ihrer »Habanera«-CD auf Deutsche Grammophon auch die weitaus komplexere erste Fassung, L'amour est un enfant Bohème, aufgenommen.) Von der bekannten späteren Version wurde schon der Begleitrhythmus sinnbildlich für ein verführerisches Lied - und wird zeichenhaft sogar von Alban Berg in seiner Lulu zitiert! Umso heikler die Herausforderung für die Mezzosopranistin, den subtil-lockeren Ton zu treffen, den Bizet anschlägt. Die Musik meidet jede vordergründige Pose, die Interpretinnen schaffen das nur selten.
Micaëla, die Ziehtochter von Josés Mutter bringt einen Brief: Die Mutter bittet ihn, ins Dorf zurückzukehren und Micaëla zur Frau zu nehmen.
Duett José/Micaëla Die erste Hürde für den - in der Regel mit einer zu dramatischen Stimme besetzten - Tenor, der hier Eleganz, weiten Atem und behutsame Pianokultur an den Tag legen müßte, um mit dem lyrischen Sopran zu harmonieren. Micaëla erscheint meist allzu harmlos gezeichnet. Sie darf durchaus selbstbewußt auftreten - schon im Dialog mit den Soldaten am Beginn ihres Auftritts sollte sie entsprechend frohgemut und unirritiert bleiben, durchaus eine Frauengestalt, die einem Mann wie José Halt geben könnte - sodaß ihr Auftritt im dritten Akt überzeugend und mit Bestimmtheit wirken kann.
In der Fabrik bricht ein heftiger Streit zwischen den Arbeiterinnen aus. Der Lärm dringt nach außen - die Auseinandersetzung ebenfalls. Carmen wird als Rädelsführerin festgenommen. Don José soll sie arrettieren. Sie kann ihn aber überreden, sie laufen zu lassen.
Seguidilla Hier handelt es sich um ein Stück im Geist der »Opéra-Comique«, das - auch im Crescendo des letzten Refrains - keinen zu lauten, indezenten Ton verträgt, sondern leicht und augenzwinkernd, jedenfalls mit Charme gesungen werden sollte. Was José hier aus der Bahn wirft, ist die »unerträgliche Leichtigkeit des Seins«, eine »heimlische Aufforderung«, kein aufdringliches Kurtisanen-Lockspiel.
In der Taverne, in der sich Carmen mit José verabredet hat, singen die Schmuggler. Aber nicht nur José gehört zu ihren Verehrern, sondern auch der Torero Escamillo
Auftrittslied des Escamillo. Entscheidend für den Erfolg des Interpreten an diesem Abend. Eine der wenigen Opern-Nummern, in denen in der Regel die gut sitzende Tiefe eines Baritons über Wohl und Wehe entscheidet. Berühmte Darsteller sind am fehlenden »männlich-profunden« Timbre gescheitert.
José kann sich nicht entschließen, Carmens wegen zu desertieren, was zu einer heftigen Auseinandersetzung und zur ariosen Liebeserklärung Josés führt.
Aber Zuniga erscheint. Ebenso interessiert an Carmen, will er den rangniederigeren José fortschicken. Der ist nun gezwungen, den Befehl zu verweigern. Die Schmuggler fesseln Zuniga und ziehen mit José davon.
DRITTER AKT
Carmen ist Josés bald überdrüssig und schwärmt für Escamillo, ist aber auch von Todesängsten verfolgt.
Terzett und Karten-Szene Hier gelingt es Bizet, mit einem echten Coup de theatre Carmens Seelenleben offenzulegen, die einsam zwischen den kokett-spielerisch tändelnden Gespielinnen ihren Gedanken nachhängt. Die Szene wird zu einer Art innerem Monolog, Carmen, die Musik - und damit die Zuhörer - vergessen für einige bange, schwarze Minuten ungeschminkter Seelenbespiegelung, was um sie herum vorgeht. Umso beklemmender wirkt das »Erwachen« aus diesem Alptraum, wenn die Mädchen ihr Liedchen wieder anstimmen. Ab nun liegt ein melancholischer Schleier über allem. (Man beachte die trotzigen Schlußtakte des Orchesters!)
Als Escamillo erscheint, kommt es zur Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern.
Duett Eines der Stücke, die seit Anbeginn unter kräftigen Kürzungen zu leiden hatten, wenn es denn überhaupt gesungen wurde. Spannend: Wieviel von diesem Duett (es ist auch auf vielen sogenannten Gesamtaufnahmen nur unvollständig zu hören - komplett ist etwa die Einspielung unter Sir Georg Soltis Leitung mit José van Dam und Placido Domingo) von Dirigent und Regisseur »zugelassen« werden; und wie es dann von den Protagnisten genützt wird: Hier darf der Tenor erstmals aus der Reserve gehen und könnte vokal nachvollziehen lassen, wie er langsam die Contenance verliert. Sein Gegenüber hat in diesem Duett eine der wenigen Gelegenheiten, überhaupt Charakterisierungskünste spielen zu lassen. Er dürfte den Nebenbuhler mit sarkastisch-bösartigem Ton herausfordern.
Sie berichtet, daß seine Mutter im Sterben liege. Don José droht Carmen, folgt aber schließlich Micaëla, während sich Escamillo, sein »Torerolied« trällernd, siegessicher zurückzieht.
Vierter AKT
Die Massen strömen in die Arena und jubeln Escamillo zu, der an Carmens Seite erscheint. José stellt sie noch einmal zur Rede. Als sie seine erneute Werbung höhnisch abweist, zückt er sein Messer und tötet sie.