Zwei Klaviersonaten hat Dmitri Schostakowitsch komponiert. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Die erste ist ein einsätziges Gebilde im avantgardistischen, politisch engagierten Stil der Zweiten Symphonie und zählt zu den harmoisch kühnsten Experimenten dieses Komponisten, also zu jener Phase, die mit der offiziellen Verdammung der Oper Lady Macbeth von Mzensk endgültig zu Ende ging.
Die zweite Sonate gehört der Periode der Kriegs-Symphonien an und entstand nach Vollendung der → Leningrader Symphonie, parallel zum Kompositionsprozeß der Achten.
Die einsätzige erste Klaviersonate ist eng verwandt mit der zweiten Symphonie und entstand offenkundig ursprünglich nach einem ähnlichen »Programm«. Wie die Symphonie trug die Sonate zunächst einen Verweis auf die »Oktoberrevolution.« Der 19-jährige Komponist hat diesen Verweis nach Publikation der Symphonie vom Manuskript der Sonate getilgt.
Stilistisch bedient er sich in beiden Werken einer avancierten Technik, die Arnold Schönbergs Zwölfton-Methode reflektiert. Nur daß Schostakowitschs »Zwölfton-Reihe« lediglich aus elf Tönen besteht: Das G fehlt, das Fis erklingt hingegen zweimal. Es steht im Quintenzirkel quasi in Opposition zum Grundton der Sonate, C.
Aus der Spannung zwischen diesen beiden Polen gewinnt Schostakowitsch die Energie für den formalen Prozeß, der das etwa 13 Minuten lange Werk umfaßt. Aus einem wild gestikulierenden Stimmengewirr wächst ein kraftvolles Klangbild, in dessen expressionistischer Zeichnung sich der Grundton C mehr und mehr zu verlieren scheint und dem Gegenpol Fis zustrebt. Nach einer ruhigeren Passage in Fis-Dur führt der tonale Kampf in einem heftig bewegten Allegro. Zuletzt lotet Schostakowitsch die Kontrastwirkungen auch mittels Gegenüberstellung des äußersten Diskants mit dem tiefsten Ton der Klaviatur, dem C, das als Schlußpunkt das Ende der harmonischen Querelen markiert.
Allegretto Largo Moderato con moto
Die zweite Sonate in h-Moll mit einem langsamen, dem Andenken von Schostakowitschs Klavierprofessor Leonid Nikolajew gewidmeten Mittelsatz in As, wird vom groß angelegten Finale dominiert, das etwa so lange dauert wie die beiden vorangehenden Sätze zusammengenommen. Es ist eine Folge von Variationen über seltsam disparat anmutendes, eher eine Reihe von kontrastierenden Motiven darstellendes »Thema« dessen langsame Stabilisierung offenbar das formale Ziel der Komposition darstellt: Nach höchst abwechslungsreichen Episoden kehren in diesem Kristallisationsprozeß die Bewegung des Kopfsatzes und die Stimmungswelt des Largos wieder, kontrapunktisch kombiniert mit dem Themenmaterial des Finales.