Henzes Neunte Symphonie
Erstaufführung in Wien
30 Oktober 1997
Musik unter der Oberfläche des schwarzen Lavastroms
Hans Werner Henzes Neunte erlebte zur Eröffnung des diesjährigen Festivals "Wien modern" ihre österreichische Erstaufführung. Ein wahrlich niederschmetterndes Stück.
Die Neunte, das ist die wahre Schicksalssymphonie für österreichische und deutsche Komponisten seit Ludwig van Beethoven. Hans Werner Henze hat sich nach ganz undeutschen, der Italianità verschriebenen Anfängen in den achtziger Jahren doch der großen symphonischen Form zugewandt - wiewohl er auch seine klangwütigsten Stücke, die Siebente und die jetzt erstmals in Österreich gespielte Neunte, beharrlich Sinfonia nennt.
Das Klangbild der späten Henze-Werke hat sich ja mehr und mehr eingedickt. Oft schieben sich viele Ausdrucksebenen scheinbar ungeordnet übereinander und formen ein undurchdringliches Dickicht der Harmonien, Farben und melodischen Stränge.
Unentwirrbar scheint das des öfteren, als wollte die Musik nur stellenweise den Blick ungehindert freigeben auf die subkutanen Entwicklungen, die sich da offenkundig unter der Oberfläche des schwarzen Lavastroms abspielen.
Für Orchester und Chor (RSO Wien, Wiener Konzertchor) unter Dennis Russell Davies birgt eine solch kühn geschichtete Partitur unendliche Schwierigkeiten. Da kann es schon vorkommen, daß in der Hitze des Gefechts auch dort, wo ganz und gar nur ein einziger Ton vorgeschrieben ist, ein mehrstimmiges Konglomerat ertönt.
Henze hat dazu schlagkräftige Musik geschrieben, ganz wie er das schon in seinem Floß der Medusa vor dreißig Jahren getan hat. Auch in dieser Neunten gibt es handgreifliche Lautmalereien, die den Text unmittelbar in Musik "umsetzen".
Nur, daß der Komponist heute nicht mehr so filigran orchestriert und sich mit größeren, blockartig hingestellten Klangformationen begnügt. Die aber verraten in ihrer Abfolge die Hand des musikdramatischen Praktikers. Henze weiß, wann er nach Fortissimo-Orgien einen kunstvoll ausregistrierten b-Moll-Akkord in den Streichern "servieren" muß, wo Kontraste notwendig sind, um das Ohr ausruhen zu lassen.
Gerade an solchen dramaturgischen Schnittstellen offenbart sich die Qualität dieser Musik, findet sie zu einer Gestik, die sich zumindest als malerische Figur dem Hörer einprägen kann. Dennoch herrschte nach der Erstaufführung im Großen Konzerthaussaal eher Ratlosigkeit als Bewegung - oder gar Mitleid mit den "Opfern des Faschismus", denen das Stück gewidmet ist. So ganz ging die Rechnung des raffinierten Altmeisters nicht auf - zumindest mit dieser Aufführung nicht. Es wird gewiß ein neuer Versuch folgen.
Hans Werner Henzes Neunte erlebte zur Eröffnung des diesjährigen Festivals "Wien modern" ihre österreichische Erstaufführung. Ein wahrlich niederschmetterndes Stück.
Die Neunte, das ist die wahre Schicksalssymphonie für österreichische und deutsche Komponisten seit Ludwig van Beethoven. Hans Werner Henze hat sich nach ganz undeutschen, der Italianità verschriebenen Anfängen in den achtziger Jahren doch der großen symphonischen Form zugewandt - wiewohl er auch seine klangwütigsten Stücke, die Siebente und die jetzt erstmals in Österreich gespielte Neunte, beharrlich Sinfonia nennt.
Eine Neunte natürlich mit Chor
Er ist an Beethoven nicht ganz achtlos vorübergegangen. Auch seine Neunte verwendet großen Chor. Auch seine Neunte beginnt auf dem leeren Quintklang - aber der ist hier vom ersten Moment an umwuchert von klanglichen Schlingpflanzen der Streicher.Das Klangbild der späten Henze-Werke hat sich ja mehr und mehr eingedickt. Oft schieben sich viele Ausdrucksebenen scheinbar ungeordnet übereinander und formen ein undurchdringliches Dickicht der Harmonien, Farben und melodischen Stränge.
Unentwirrbar scheint das des öfteren, als wollte die Musik nur stellenweise den Blick ungehindert freigeben auf die subkutanen Entwicklungen, die sich da offenkundig unter der Oberfläche des schwarzen Lavastroms abspielen.
Für Orchester und Chor (RSO Wien, Wiener Konzertchor) unter Dennis Russell Davies birgt eine solch kühn geschichtete Partitur unendliche Schwierigkeiten. Da kann es schon vorkommen, daß in der Hitze des Gefechts auch dort, wo ganz und gar nur ein einziger Ton vorgeschrieben ist, ein mehrstimmiges Konglomerat ertönt.
Das siebente Kreuz
Auch wird man sich in den Charakter dieser Musik emotionell erst einleben müssen, um die vielfach differenzierten dynamischen Vorschriften wirklich hörbar - und damit das Werk transparent - zu machen. Insgesamt aber wurde die Interpretation in ihrem spürbar engagierten Duktus doch dem Text-Vorwurf gerecht: Hans-Ulrich Treichel hat nach Anna Seghers' Siebentem Kreuz einen Oratorientext gedichtet, der uns die verzweifelte Flucht eines KZ-Häftlings dramatisch vor Augen führt.Henze hat dazu schlagkräftige Musik geschrieben, ganz wie er das schon in seinem Floß der Medusa vor dreißig Jahren getan hat. Auch in dieser Neunten gibt es handgreifliche Lautmalereien, die den Text unmittelbar in Musik "umsetzen".
Nur, daß der Komponist heute nicht mehr so filigran orchestriert und sich mit größeren, blockartig hingestellten Klangformationen begnügt. Die aber verraten in ihrer Abfolge die Hand des musikdramatischen Praktikers. Henze weiß, wann er nach Fortissimo-Orgien einen kunstvoll ausregistrierten b-Moll-Akkord in den Streichern "servieren" muß, wo Kontraste notwendig sind, um das Ohr ausruhen zu lassen.
Gerade an solchen dramaturgischen Schnittstellen offenbart sich die Qualität dieser Musik, findet sie zu einer Gestik, die sich zumindest als malerische Figur dem Hörer einprägen kann. Dennoch herrschte nach der Erstaufführung im Großen Konzerthaussaal eher Ratlosigkeit als Bewegung - oder gar Mitleid mit den "Opfern des Faschismus", denen das Stück gewidmet ist. So ganz ging die Rechnung des raffinierten Altmeisters nicht auf - zumindest mit dieser Aufführung nicht. Es wird gewiß ein neuer Versuch folgen.