Die Wiederkehr des Wiedehopfs

Besuch bei Hans Werner Henze

19. März 2004
»Sie ist wieder da«, sagt er und blickt ganz verzaubert und glücklich in den Olivenhain, der sich vor seiner Terrasse in Marino bei Rom erstreckt: Hans Werner Henze freut sich über den Wiedehopf, die »Upupa«, die seiner großen Zauberoper den Namen gab, die im vergangenen August bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde. »Die Upupa hat voriges Jahr auf unserem Misthaufen genistet und war höchst erfolgreich: vier Junge. Jetzt ist seit drei Tagen Frühling und sie ist wieder da.«

Lauschen im Park

Des Nachmittags sitzt der Komponist, der seine deutsche Heimat schon vor Jahrzehnten gegen die italienische Sonne eingetauscht hat, in seinem Park und schaut, belauscht die Natur »und trinke meinen Scotch. Aber ganz langsam.« Gearbeitet wird zeitig in der Früh. Ab Mittag ist das Leben so verträumt, wie es in den Albaner Bergen nur sein kann. Im Entstehen begriffen ist gerade ein Orchesterwerk, das vom Concertgebouw Orchester in Auftrag gegeben wurde.

Inspiriert wurde es freilich nicht von Amsterdam, sondern von der Zeit der Salzburger Uraufführung der Upupa.
»Ich habe da«, erzählt Henze, »Sebastian im Traum von Georg Trakl entdeckt, einen wunderbaren Gedichtzyklus, den ich jetzt komponiere - ohne Singstimme, nur für Orchester. Eine Art Bildbeschreibung. So etwas habe ich noch nie gemacht. Drei Teile, die innig miteinander verknüpft sind, ein Bild folgt dem anderen, oft sind es Schreckensbilder, die Tonalitäten schweben, ich versuche dem Gedicht mit Musik zu folgen, wie mit der Kamera.«

Die Uraufführung seiner Oper bei den Festspielen war »eine große Freude« für Henze, denn die Inszenierung von Dieter Dorn entsprach ganz dem, was sich der Schöpfer des Werkes vorgestellt hatte. »Dorn«, sagt Henze ganz bewundernd, »sitzt ja mit der Partitur in der Probe. Nicht mit dem Klavierauszug. So viele Regisseure, die Partitur lesen können, gibt es ja nicht.«
Es musste für die Zauberoper, wie Henze meint, »ein ganz eigener Stil entwickelt werden«. Der Komponist hat es zwar gern, wenn Interpreten vor Aufführungen mit ihm in Kontakt treten, aber im Fall des Salzburger Regieteams wusste Henze »nicht die Bohne, was die vorhaben. Ich habe mich mit ihnen vorher einmal getroffen. Aber das war auch alles«.

Besonders freut sich Henze, dass die Produktion jetzt von mehreren Häusern weltweit übernommen wird. Wie ja überhaupt die Opern Henzes zu den wenigen musiktheatralischen Hervorbringungen des 20. Jahrhunderts zählen, die immer wieder gegeben werden und nicht nach der Uraufführung für immer in der Versenkung verschwinden.

So hat die künftige Hamburger Intendantin Simone Young zum Beispiel angekündigt, eine Neuinszenierung der Upupa herausbringen zu wollen. Demnächst spielt die Berliner Linden-Oper das Anfang der sechziger Jahre entstandene Künstler-Drama Elegie für junge Liebende unter der musikalischen Leitung von Philippe Jordan - für Henze ein Grund, wieder einmal nach Deutschland zu reisen und sich an die Zusammenarbeit mit Wystan H. Auden zu erinnern, der für diese Oper (wie auch für die Euripides-Metamorphose Die Bassariden, die 1966 in Salzburg uraufgeführt wurden) das Libretto gedichtet hat. Übrigens unter tatkräftiger Mitwirkung seines Kompagnons Chester Kalman: »Den unterschätzt man immer ein wenig«, resümiert Henze, »obwohl er es war, dessen Kunstfertigkeit die Theaterwirksamkeit der Stücke wohl entsprang.«

Mit Werken wie der Elegie oder dem von Ingeborg Bachmann gedichteten jungen Lord hat Henze Rekorde gebrochen. Auf die 35 Inszenierungen angesprochen, die der Lord mittlerweile erlebt hat (in Berlin seinerzeit im Westen und im Osten gleichzeitig!), kontert Henze verschmitzt: »Na ja, der Paul Lincke war schon auch erfolgreich...«

Im österreichischen Musikleben ist Henzes Musik freilich weitaus weniger oft vertreten als im deutschen oder englischen. Obwohl Aufführungen in der Regel bemerkenswerte Erfolge erzielen konnten.
An Wien erinnert sich Henze auch deshalb gern, »weil ich da eines Tages auf der Kärntner Straße etwas einkaufen ging und als die Verkäuferin, eine junge Dame, auf der Kreditkarte meinen Namen las, wurde sie rot und sagte mit verklärtem Blick: Pollicino.«
Die Kinderoper war in der Volksoper tatsächlich ein Hit gewesen.


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