Hans Werner Henze
Reiselieder mit böhmischen Quintem
Juni 1996
Die Autobiographie
Reiselieder mit böhmischen Quinten
Autobiographische Mitteilungen, 628 S., Ln., S 503 (S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main)Ist er jetzt ein radikaler Weltveränderer - oder doch eher ein sensibler Scheuer, aus dessen Musik eine neue, zerbrechliche Romantik tönt?
70 Jahre wird der deutsche Komponist Hans Werner Henze am 1. Juli.
Er ist kein bißchen berechenbarer geworden.
Anders als vergleichbar in sich gekehrte Kollegen hat Henze jedoch nie Schwierigkeiten gehabt, sich auch in Worten mitzuteilen.
Als Verfasser brillant formulierter Essays über "Musik und Politik" wurde er so bekannt wie als Tondichter für Konzert und Oper. Tagebuchartig ist alles, was er notiert.
Das entspricht seinem verschlossenen Selbst. Über eines seiner Werke (ein klingendes) hat er einmal geschrieben, es sei Musik wie kurze Botschaften, auf kleine Zettelchen geschrieben.
Sein schriftstellerisches OEuvre ließe sich auf diese Weise bestens charakterisieren: kleine Botschaften, gebündelt und dann dem Leser überlassen, der sich daraus einen Menschen basteln kann - Anmerkungen zum Schaffensprozeß, intime, aber nicht allzu intime Mitteilungen über Privates, das Verhältnis zum Vater, dem überzeugten Nationalsozialisten, zur Mutter, die er bis zuletzt vorsichtig taxiert, zu Ingeborg Bachmann und Jean-Pierre Ponnelle, Visconti und W. H. Auden; immer bleibt ein kleiner Rest, der die Distanz zum Leser wahrt, Freiraum für die Phantasie läßt.
Auch dort, wo sich der geschmeidige Fabulierer Henze über sein Verhältnis zur "linken Bewegung" ausläßt, über den Skandal mit der roten Fahne, über dem die Uraufführung seines Che Guevara gewidmeten Oratoriums "Das Floß der Medusa" 1968 scheiterte, über den langwierigen Prozeß der Desillusionierung des begeisterten Fidel-Castro-Anhängers Henze.
Es bleiben Fragen offen, denn Henze ist ein Mann der Fragezeichen, des offenen Ausgangs, der träumerischen Selbstfindung - manchmal vielleicht des Selbstbetrugs. Verstörung findet sich auch in dem Buch, Ratlosigkeit, vor allem aber die Zuversicht, in eine Tonwelt eintauchen zu können, die Seelenpein lindert, oft sogar aufhebt.
Wenn er von Musik spricht, wird der Dichter Henze zärtlich und liebevoll.
Er ändert den Tonfall, wird frei und gelöst - findet sich offenbar in jenem Raum, der ihm die Vision von offenherziger, ungetrübter Menschlichkeit bedeutet.
Was unerreichbar scheint, wird in Henzes neuem Memoirenband sprachlich Realität; und zwar dort, wo der Autor nicht an realpolitischen Sachzwängen verzagt, sondern wo er, ohne es zu wollen, über seine unbegrenzte Freiheit referiert, die er sich nach anfänglichen Tastversuchen rasch erobert hat: als Komponist jenseits aller Schulen, Gruppen und Grüppchen, deren dieses Jahrhundert so viele hat. Henze hat als Musiker erfolgreich gegen solche Zwangsjackenmentalität angesungen.
Und angeschrieben.
Man liest es auch hier wieder. Zwischen den Zeilen.
Das macht den Charme aller Henzeschen Prosa aus - und die "böhmischen Quinten" dieser "Reisebilder".
70 Jahre wird der deutsche Komponist Hans Werner Henze am 1. Juli.
Er ist kein bißchen berechenbarer geworden.
Anders als vergleichbar in sich gekehrte Kollegen hat Henze jedoch nie Schwierigkeiten gehabt, sich auch in Worten mitzuteilen.
Als Verfasser brillant formulierter Essays über "Musik und Politik" wurde er so bekannt wie als Tondichter für Konzert und Oper. Tagebuchartig ist alles, was er notiert.
Das entspricht seinem verschlossenen Selbst. Über eines seiner Werke (ein klingendes) hat er einmal geschrieben, es sei Musik wie kurze Botschaften, auf kleine Zettelchen geschrieben.
Sein schriftstellerisches OEuvre ließe sich auf diese Weise bestens charakterisieren: kleine Botschaften, gebündelt und dann dem Leser überlassen, der sich daraus einen Menschen basteln kann - Anmerkungen zum Schaffensprozeß, intime, aber nicht allzu intime Mitteilungen über Privates, das Verhältnis zum Vater, dem überzeugten Nationalsozialisten, zur Mutter, die er bis zuletzt vorsichtig taxiert, zu Ingeborg Bachmann und Jean-Pierre Ponnelle, Visconti und W. H. Auden; immer bleibt ein kleiner Rest, der die Distanz zum Leser wahrt, Freiraum für die Phantasie läßt.
Auch dort, wo sich der geschmeidige Fabulierer Henze über sein Verhältnis zur "linken Bewegung" ausläßt, über den Skandal mit der roten Fahne, über dem die Uraufführung seines Che Guevara gewidmeten Oratoriums "Das Floß der Medusa" 1968 scheiterte, über den langwierigen Prozeß der Desillusionierung des begeisterten Fidel-Castro-Anhängers Henze.
Es bleiben Fragen offen, denn Henze ist ein Mann der Fragezeichen, des offenen Ausgangs, der träumerischen Selbstfindung - manchmal vielleicht des Selbstbetrugs. Verstörung findet sich auch in dem Buch, Ratlosigkeit, vor allem aber die Zuversicht, in eine Tonwelt eintauchen zu können, die Seelenpein lindert, oft sogar aufhebt.
Wenn er von Musik spricht, wird der Dichter Henze zärtlich und liebevoll.
Er ändert den Tonfall, wird frei und gelöst - findet sich offenbar in jenem Raum, der ihm die Vision von offenherziger, ungetrübter Menschlichkeit bedeutet.
Was unerreichbar scheint, wird in Henzes neuem Memoirenband sprachlich Realität; und zwar dort, wo der Autor nicht an realpolitischen Sachzwängen verzagt, sondern wo er, ohne es zu wollen, über seine unbegrenzte Freiheit referiert, die er sich nach anfänglichen Tastversuchen rasch erobert hat: als Komponist jenseits aller Schulen, Gruppen und Grüppchen, deren dieses Jahrhundert so viele hat. Henze hat als Musiker erfolgreich gegen solche Zwangsjackenmentalität angesungen.
Und angeschrieben.
Man liest es auch hier wieder. Zwischen den Zeilen.
Das macht den Charme aller Henzeschen Prosa aus - und die "böhmischen Quinten" dieser "Reisebilder".