M O Z A R T

Pariser Symphonie

Sinfonia in D-Dur, KV 297

Die Entstehungs- und frühe Aufführungsgeschichte Pariser Symphonie ist dank Mozarts eigenen Zeugnissen bestens dokumentiert. In den Briefen des Komponisten erfahren wir, wie er raffiniert auf die Erfordernisse und Erwartungen seiner jeweiligen Hörer einging - und wie er genau kalkulierte, wann man diese Erwartungshaltungen konterkarieren muß, um wirklich Eindruck zu machen.

Für der Uraufführung präsentierte Mozart sein neues Werk am 12. Juni 1778 dem Grafen Sickingen, dem Pfälzischen Gesandten in Frankreich. Der Graf hat Mozart des öfteren zu Tische. Mozart berichtet:

Ich habe nun schon gewiß sechs Mal bei Graf Sickingen, Pfälzischem Gesandten, gespeist – da bleibt man allezeit von 1 bis 10 Uhr. Die Zeit geht aber bei ihm so geschwind herum, daß man es gar nicht merkt. Er hat mich sehr lieb. Ich bin aber auch sehr gern bei ihm – das ist ein so freundlicher und vernünftiger Herr, und der eine so gesunde Vernunft – und eine wahre Einsicht in die Musik hat. Heute war ich abermals mit Raff dort, und ich brachte ihm, weil er mich schon längst darum gebeten hatte, etliche Sachen von mir hin. Heute nahm ich die neue Symphonie mit, die ich gerade fertig hatte, und durch welche am Frohnleichnamstage das Concert spirituel wird eröffnet werden. Diese hat allen Beiden überaus wohl gefallen. Ich bin auch sehr wohl damit zufrieden. Ob sie aber gefällt, das weiß ich nicht, – und die Wahrheit zu sagen, liegt mir sehr wenig daran; denn, wem wird sie nicht gefallen? – den wenigen gescheidten Franzosen, die da sind, stehe ich gut dafür, daß sie gefällt; den Dummen, – da sehe ich kein großes Unglück, wenn sie ihnen nicht gefällt. – Ich habe aber doch Hoffnung, daß die Esel auch etwas daran finden, das ihnen gefallen kann; und dann habe ich ja den premier coup d'archet nicht verfehlt! -– und das ist ja genug. Da machen die Ochsen hier ein Wesen daraus! – Was Teufel! – ich merke keinen Unterschied – sie fangen auch zugleich an – wie in andern Orten.

Das ist zum Lachen. – – – –

Der Beifall blieb am Fronleichnamstag denn auch nicht aus. Die kalkulieten Überraschungs-Passagen machten genau den erwünschten Effekt.
Am 3. Juli berichtet der Sohn Mozart an den Vater:

Ich habe eine Symphonie, um das Concert spirituel zu eröffnen, machen müssen, und sie wurde am Frohnleichnamstage mit allem Applaus aufgeführt. Es ist auch, so viel ich höre, im Courier de l'Europe eine Meldung davon geschehen. – Sie hat also ausnehmend gefallen. Bei der Probe war es mir sehr bange, denn ich habe meine Lebenszeit nichts Schlechteres gehört; Sie können sich nicht vorstellen, wie sie die Symphonie zwei Mal nach einander herunter gehudelt und herunter gekratzt haben. – Mir war wahrlich bange, ich hätte sie gern noch einmal probirt; aber weil man allezeit so viel Sachen probirt, so war keine Zeit mehr. Ich mußte also mit bangem Herzen und mit unzufriedenem, zornigem Gemüthe in's Bett gehen. Den andern Tag hatte ich mich entschlossen, gar nicht in's Conzert zu gehen; da es aber Abends gut Wetter wurde, entschloß ich mich endlich, mit dem Vorsatze, daß, wenn es so schlecht, wie bei der Probe ging, ich gewiß auf das Orchester gehen werde, und dem Herrn La House, erstem Violinspieler, die Violine aus der Hand nehmen und selbst dirigiren werde. Ich bat Gott um die Gnade, daß es gut gehen möchte, und Ecce! die Symphonie fing an, Raff stand neben mir, und gleich mitten im ersten Allegro war eine Passage, die ich wohl wußte, daß sie gefallen müßte: alle Zuhörer wurden davon hingerissen, und war ein großes Applaudissement. – Weil ich aber wußte, wie ich sie schrieb, was das für einen Effect machen würde, so brachte ich sie zuletzt noch einmal an, – da ging es nun da capo. Das Andante gefiel auch, besonders aber das letzte Allegro. Weil ich hörte, daß hier alle letzte Allegro's, wie die ersten, mit allen Instrumenten zugleich, und meistens unisono anfangen, so fing ich es mit den zwei Violinen allein piano nur acht Tacte an, – darauf kam gleich ein Forte, mithin machten die Zuhörer (wie ich es erwartete) bei Piano sch –, dann kam gleich das Forte. – Sie das Forte hören und in die Hände klatschen war Eins. Ich ging also gleich vor Freude nach der Symphonie in's Palais Royal, nahm ein gutes Gefrorenes, – betete den Rosenkranz, den ich versprochen hatte, und ging nach Haus.

Sechs Tage danach - in der Zwischenzeit war Mozarts Mutter, die ihn nach Paris begleitet hatte, gestorben, aber der Sohn wagte das noch nicht zu berichten - erklärt Mozart dem Vater, warum er den langsamen Satz der Symphonie ausgetauscht hat:

Meine Symphonie für das Concert spirituel fand allen Beifall, und Le Gros ist so damit zufrieden, daß er sagt, das sei seine beste Symphonie.

Das Andante hat aber nicht das Glück gehabt, ihn zufrieden zu stellen; er sagt, es sei zu viel Modulation darin, und zu lang – das kam aber daher, weil die Zuhörer vergessen hatten, einen so starken und anhaltenden Lärmen mit Händeklatschen zu machen, wie bei dem ersten und letzten Stücke; denn das Andante hat von mir, von allen Kennern und Liebhabern und den meisten Zuhörern den größten Beifall – es ist just das Contraire, was Le Gros sagt, – es ist ganz natürlich – und kurz. – Um ihn aber (und wie er, behaupten Mehrere) zu befriedigen, habe ich ein anderes Andante gemacht. – Jedes in seiner Art ist recht, denn es hat jedes einen andern Charakter – das Letzte gefällt mir aber noch besser.

Leider wissen wir heute nicht mehr, welcher der beiden Andante-Sätze - beide Fassungen sind gottlob überliefert - die ursprünliche, welcher die überarbeitete Version darstellt. Die beiden Stücke haben nichts miteinander zu tun. Die Aufführungspraxis läßt in der Regel das ursprünglich Andantino überschriebene Stück im 6/8-Takt hören.


Die erste Druck-Fassung der Symphonie in Paris erschien allerdings mit dem anderen Stück - im 3/4-Takt.


Die Aufnahme mit dem Prager Kammerorchester unter der Leitung von Sir Charles Mackerras bringt beide Versionen des Andante-Satzes. (Telarc)


Orchesterbesetzung

Eines der interessantesten, leider aus ideologischen Gründen kaum beachteten Dokumente zur originalen Aufführungspraxis ist übrigen ein Brief Mozarts aus den ersten Wiener Jahren. Es war die Pariser-Symphonie, die er anläßlich eines Konzertes im Burgtheater aufführte - und dem Vater berichtet er, in welcher Stärke das Orchester bei dieser Gelegenheit auf dem Podium erschien:

Das habe ihnen auch neulich vergessen zu schreiben, daß die Sinfonie Magnifique gegangen ist, und allen Succés gehabt hat – 40 Violin haben gespiellt – die blaß-Instrumente alle doppelt – 10 Bratschen – 10 Contre Bassi, 8 violoncelli, und 6 fagotti. –

So viel zur Besetzung eines Orchesters in großen Sälen nach den Wünschen eines Komponisten. Das Alte Burgtheater war nicht einmal so groß wie der Wiener Musikvereinssaal, wo man in den Jahren um 2000 ein Werk wie dieses in der Regel mit einem etwa halb so großen Orchester musizieren läßt.

↑DA CAPO