Klaviertrios und - quartette
Die Triobesetzung Klavier, Violine, Violoncello gilt heute als eine der Standardformationen der Musizierpraxis. An Mozarts Œuvrekatalog können wir ablesen, wie es dazu gekommen ist. Die ersten Werke aus seiner Feder, die in dieser Triobesetzung aufführbar waren, können ebensogut als Violinsonaten gespielt werden, denn das Cello fungiert lediglich als Verstärkung des Klavierbasses. Und auch die Violine hat die dem Klavier untergeordnete Stellung des Begleitinstruments.
Nach frühen Violinsonaten (KV 10–15) finden wir mit dem 1776 in Salzburg komponierten B-Dur-Trio, das ausdrücklich als Divertimento bezeichnet ist, das erste im späteren Sinne vollentwickelte Werk der neuen Gattung. Mozart hat dieses Stück besonders geschätzt und auf seine Paris-Reise mitgenommen, es in Frankreich auch drucken lassen und auf der Reise wohl des öfteren aufgeführt. Verbürgt ist eine Aufführung in München, wo Mozart mit dem Tartini-Schüler Charles Albert Dupreille, der damals Mitglied der Münchner Hofkapelle war, im »Schwarzen Adler« konzertierte. Nicht sonderlich erfolgreich übrigens, denn, wie der Komponist an seinen Vater berichtet, der Geiger
war nicht im stande 4 täcte fort zu geigen ohne zu fehlen. (. . .) Das beste war daß er sehr höflich gewesen (. . .) In Adagio habe ich 6 tact seine Rolle spiellen müssen.
Der ungestüme, freche Charakter des aufgeräumten Werks wird auf diese Weise kaum spürbar gewesen sein. Sowohl das einleitende Allegro assai als auch das Schluß-Rondo warten mit unzähligen Überraschungseffekten auf, die freilich rückwirkend stets mit galanter Geste als unverzichtbar für den elegant ausgewogenen Formverlauf definiert werden. Der hochexpressive Mittelsatz kehrt diese Aufgewecktheit mit den Mitteln sensibler Empfindsamkeit sozusagen nach innen.
Zehn Jahre später erst entsteht in Wien das 1787 bei Hoffmeister publizierte G-Dur-Trio KV 496, ein Schwesterstück der sechs Haydn-Quartette und der Klavierquartette (KV 478 und 493), mit denen Mozart in jenen Jahren die höchste, raffinierteste Ebene kammermusikalischer Kompositionstechnik erschlossen hat. Die dabei errungene Freiheit in der Behandlung aller mitwirkenden Stimmen war bereits bei den Quartetten die Frucht einer »langen, mühsamen Arbeit«, wie Mozart selbst in seinem Widmungsschreiben an Haydn bekennt.
Die Kombination aus Klavier und zwei Streichinstrumenten hat ihn offenbar noch mehr gefordert, denn zwei Versuche Mitte der achtziger Jahre scheitern, bleiben unvollendet liegen. Und das Autograph des G-Dur-Trios verrät ungewöhnliche Unschlüssigkeit, mehrere Arbeitsgänge, die aus dem zunächst offenbar als Klaviersonate angelegten Stück ein Trio werden lassen, das freilich zuletzt den Stempel von Mozarts unvergleichlicher Kunst der Klangregie trägt.
Schon der Beginn des Kopfsatzes läßt mit seiner subtilen Dialogführung zwischen Klavier und Geige aufhorchen. Das Cello beteiligt sich erst im Mittelteil des Satzes, dann aber mit großer Geste führend an der Entwicklung.
Die Emanzipation erreicht im kontrapunktischen Gewebe des zentralen C-Dur-Andantes ihre Erfüllung: Hier bewegen sich vielleicht erstmals in der Trioliteratur drei gleichberechtigte Partner in völliger Freiheit.
Eine lichte Gavotte fungiert im Final-Allegretto als Ausgangspunkt einer Variationenreihe, die sich mitunter zu bedrohlich dramatischen Klangbildern verdichtet – zumal in der zentralen Moll-Variation, deren Klänge wie ein drohender Schatten kurz vor Schluß dieses hintergründi- gen Stücks noch einmal wiederkehren.
Geradezu heiter und unbeschwert geht es dagegen im 1786 komponierten B-Dur-Trio (KV 502) zu, dessen Kopf-Allegro in spielerischer Attitüde ohne Kontraste auszukommen scheint, bis – ganz gegen die (freilich erst von späteren Generationen definierte) Regel – doch überraschend ein Seitenthema auftritt. Auch das folgende Es-Dur-Larghetto setzt sich über die scheinbar simple Dreiteiligkeit mit phantastischen Wucherungen hinweg.
1788 läßt Mozart das Trio KV 542 folgen, komponiert in unmittelbarer Nachbarschaft zu den drei letzten Symphonien, in der raren Tonart E-Dur, die wenig später mit ähnlich ätherischen, schwebenden Klangwirkungen wie hier im Terzett im ersten Akt von Così fan tutte (»Soave sia il vento«) unvergleichliche Wirkung machen wird: Empfindsamkeit, fragile, verletzliche Schwebezustände auch hier. Sie prägt das gesamte Trio, vor allem auch das zentrale, harmonisch besonders reiche A-Dur-Andante, während das Rondo-Finale mit seinem kräftigen Moll- Couplet an die kraftstrotzende Spielattitüde der Wiener Klavierkonzerte anschließt.
Zwei weitere Klaviertrios entstehen noch im selben Sommer, ein »Terzett« in C-Dur (KV 548) und ein G-Dur-Werk (KV 564), von opernhaft-gegensätzlichen Charakteren erfüllt, geradezu ausgelassen endend das erste, von geradezu zurückhaltend-bescheidenem Zuschnitt das im Oktober 1788 vollendete zweite. Mozart verabschiedet sich von der Gattung mit behutsamen, subtil schattierten Tönen, einer, paradox genug, höchst artifiziellen Simplizität.
Die Klavierquartette
Mit dem ersten seiner beiden Klavierquartette (KV 478) hat Mozart sein Publikum regelrecht vor den Kopf gestoßen. So rauh, so ungeschminkt ausdruckswütig geht es bei ihm selten zu. Nicht einmal die zur selben Zeit entstandenen beiden Moll-Klavierkonzerte geben sich dermaßen unversöhnlich und radikal wie das g-Moll-Quartett in seinem einleitenden Allegro, das den Tonfall der Konzerte – auch deren Dialogstil – aufnimmt und verfeinert. Der herrisch-dominante Kopfsatz bezieht seinen dunkel-unversöhnlichen Charakter nicht zuletzt dadurch, daß nach der Durchführung selbst das zunächst stimmungsaufhellende Seitenthema konsequent in Moll gehalten ist. Über den Satzschluß senkt sich nach trotzigen Gesten ein melancholischer Schleier, den erst das folgende, lyrisches B-Dur-Andante hebt, dessen Milde die nötige Brücke zum versöhnlichen Finale bildet, in dem die Ereignisse sich freilich des öfteren krafvoll-theatralisch, aber nicht mehr bedrohlich zuspitzen.
Dem milderen Schwesterstück in Es-Dur folgt kein weiterer Versuch in dieser Gattung, die auch in weiterer Folge in der Geschichte der Klavierkammermusik eine untergeordnete Rolle spielen wird. Das Es-Dur-Werk war einen Monat nach der Uraufführung des Figaro vollendet und kam im darauffolgenden Sommer (1787) bei Artaria heraus. Der beinahe pathetische, »große« Ton, den das kleine Ensemble geradezu symphonisch auftrumpfend gleich zu Beginn anschlägt weicht bald poetischen, zum Teil fast improvisatorisch sich auflösenden Passagen, die dann in der Durchführung ihr Wesen treiben. Das sanfte As-Dur-Larghetto fordert behutsamste Klang-Registrierung zwischen dem über weite Strecken führenden Pianisten und den Streichern, während das abschließende Allegretto durch seine bunt gemischten Ausdrucks-Vielfalt besticht: Dem spielerischen Hauptthema folgt zunächst eine amüsante, durchaus opernhafte Buffo-Episode, dann eine nicht minder dramatische Zuspitzung, die aber nirgendwo auch nur annähernd den bedrohlichen Zug des g-Moll-Quartetts aufgreift. In diesem Werk dominiert der Komödiant Mozart, der sich nur kurz vor der quirligen Schluß-Coda einen wunderbar nachdenklichen Momente der Besinnung gönnt.