Das Requiem
Neue Erkenntnisse über die mögliche Uraufführung der vollendeten Teile knapp nach Mozarts Tod.
29. Oktober 1991
Nachforschungen, die kleinere Wiener Veranstalter anstellen, um aufgrund ihrer eigenen Geschichte einen möglichst persönlichen Beitrag zum Mozartjahr leisten zu können, fördern unter Umständen aufschlußreiche Erkenntnisse zutage. Oder provozieren zumindest interessante neue Fragestellungen zu diversen Themen der Musikgeschichte.
Zum Beispiel plante die Wiener Pfarre St. Michael am 10. Dezember 1991 eine Festveranstaltung aus Anlaß des 200. Jahrestages der »Exeqiuen«, die nach Mozarts Tod in ihrer Kirche stattgefunden haben. In den Archiven läßt sich das Ereignis genau nachweisen. Auch die Tatsache, daß es nicht von Witwe Konstanze, sondern von »Zauberflöten«-Mitproduzenten Emanuel Schikaneder und einem seiner Kollegen bestellt und bezahlt wurde.
Aufhorchen läßt freilich nicht diese Tatsache, sondern eine Ankündigung in einer zeitgenössischen Zeitung, in der von der Aufführung einer Mozartschen Totenmesse im Rahmen dieser Exequien die Rede ist. Nicht nur ein Wiener Blatt referiert darüber, sondern ganz unabhängig davon auch eine Zeitung in Berlin. Womit sich die Frage stellt, ob tatsächlich so kurz nach Mozarts Tod, also lang vor der bisher bekannten »Uraufführung«, das »Requiem« bereits erklungen sein kann. Fertigkomponiert waren zu diesem Zeitpunkt ja nur die ersten beiden Teile. Den Rest hat bekanntlich Mozarts Schüler Fanz Xaver Süßmayer erst in mühevoller Kleinarbeit »rekonstruiert« beziehungsweise selbst hinzugefügt.
In der Michaelerkirche dürfte also damals die Uraufführung des von Mozart hinterlassenen Fragmentes stattgefunden haben, der liturgischen Vollständigkeit halber möglicherweise ergänzt durch eine Komposition von Michael Haydn, was einer damals durchaus üblichen Praxis entsprochen hätte. Über die Mitwirkenden schweigt sich die Chronik zwar aus. Den unkomplizierten Usancen der Zeit entsprechend könnte für die Ausführung durchaus das »Zauberflöten«-Ensemble gesorgt haben. Sicher ist, daß die Kosten höher zu Buche schlugen als gewohnt, was für eine große Besetzung der musikalischen Darbietung spricht.
Wie auch immer: Die Quellenlage scheint ein biographisches Datum ein wenig zu korrigieren. St. Michael ehrt in jedem Fall zum richtigen Datum den Komponisten mit einem Fest, das unter dem Ehrenschutz von Bürgermeister Helmut Zilk stehen wird. Und Studenten der Bildhauerklasse Alfred Hrdlicka bereiten zu diesem Anlaß eine Gedenktafel vor, die ebenfalls am 10. Dezebmer enthüllt werden soll.