La Betulia liberata
1770/71
Mit dem biblischen Stoff von Judith und Holofernes wird der kleine Wolfgang Amadé Mozart bereits anläßlich seines Aufenthalts in London, 1765, konfrontiert. Er erlebt eine Aufführung von Thomas Arnes Oratorium Judith im King's Theatre am Haymarket. Einige bedeutende Interpreten, mit denen Mozart bald in Berührung kommen sollte, waren an diesem Konzert beteiligt, vor allem der hochgerühmte Kastrat Ferdinando Tenducci (der künstlerisch so unverzichtbar schien, daß man ihn aus dem Schuldturm holte, damit er an diesem Abend auftreten konnte!) .
Der Text zu Arnes Werk stammte aus der Feder von Isaac Bickerstaffe, der sich bei seiner Arbeit mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Betulia liberata-Libretto Pietro Metastasios bezog, das bereits von Komponisten wie Reutter (Wien, 1734), Jommelli (Venedig, 1743), Bernasconi (München, 1754) oder Holzbauer (Mannheim, 1760) in Musik gesetzt wurde. Metastasios Text wählte Mozart 1771, als er im Zuge einer seiner Italien-Reisen mit Vater Leopold den Auftrag zu einem Chorwerk für den Fürsten von Aragon, Don Giuseppe Ximenes, erhielt, der in Padua residierte. Mozart komponierte das Werk und Leopold berichtet in einem Brief einmal davon, daß er die Partitur »zum Kopieren schicken« werde. Allerdings ist keine Aufführung in Padua überliefert - vielmehr spielte man dort 1771 eine Vertonung von La Betulia liberata von Giuseppe Calegari - vermutlich wohl anstelle von Mozarts Oratorium.
Mozart aber erinnerte sich seiner Partitur noch Jahre später. 1784 schreibt er an Schwester Nannerl:
Ich bitte lasse den Papa nicht vergessen mir mit nächstem Postwagen das bewusste zu schicken - wen er mir auch das alte Oratorium betulia liberata schicken könte, wäre es mir recht lieb. - ich muß dieses oratorium für die hisesige Societät schreiben - vielleicht könte ich doch Ja und da etwas davon Stückweise brauchen.
Die Handlung
Der Text behandelt eine Passage aus dem Buch Judith (7-15), in der davon die Rede ist, daß Judith die belagerte Stadt Bethulia von ihren assyrischen Angreifern befreit, indem sie todesmutig das feindliche Lager aufsucht, um den assyrischen Heerführer Holofernes zu enthaupten.
Die Musik
Mozart nutzt für sein Oratorium, das zu seinen Lebzeiten vermutlich nie erklungen ist, alle Mittel der großen Oper, wie er sie bei seinen ersten italienischen Musikdramen in Mailand angewendet hat. Schon im Eingang des Werks meldet sich der Fürst von Bethulien, Ozia, mit einer koloraturgespickten Tenor-Arie zu Wort. Judith hat Mozart für einen Alt gesetzt - ein Unikum in seinem Schaff! - und widmet ihr ein bemerkenswert dramatisches, groß aufrauschendes Finale mit Chor, das sich in einer rasanten Coda wirkungsvoll zuspitzt.
Aufnahmen
Riccardo Muti bietet auf seiner → Streamingplattform die Aufzeichnung einer szenische Version des Oratoriums mit seinem Jugendorchester Luigi Cherubini und Michael Spyres als Ozia und Alisa Kolosova als Judith.Eine hörenswerte CD-Produktion entstand unter Christophe Rousset mit den Talens Lyriques (Aparte)
DA CAPO