John CAGE
1912 - 1992
Von den Studenten aus den Meisterklassen Arnold Schönbergs war der aus Los Angeles gebürtige John Cage bestimmt der, dem die originellsten Beiträge zur musikalischen Avantgarde gelangen. Cage, der sich als Jugendlicher, unterrichtet von seiner Tante, für die Musik von Edvard Grieg begeisterte, lernte bei seinen Studien in Paris die avantgardistische Architektur und Literatur der Dreißigerjahre des XX. Jahrhunderts kennen, studierte neugierig die Sprachkunst von Kurt Schwitters und James Joyce.
Zurück in den USA, arrangierte er unter anderem auch Ausstellungen mit Werken von Paul Klee oder Wassily Kandinsky.
Auf Einladung von Max Ernst und Peggy Guggenheim konnte sich Cage in der New Yorker Kunstszene der frühen Vierzigerjahre etablieren. Ein Schlagzeug-Konzert im Museum of Modern Art zog die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Grenzgänger, der bei einem Vortrag im Rahmen eines von ihm selbst veranstalteten Festivals für den Komponisten Erik Satie schon einmal kritische Worte über Beethoven verlor, was weithin kommentiert wurde und seine Stellung als Enfant Terrible der Neuen Musik festigte.
Arbeit mit Cunningham
Als Komponist erregte Cage danach vor allem Aufmerksamkeit durch seine Zusammenarbeit mit dem Choreographen Merce Cunningham, dessen Compagnie er ab 1945 als musikalischer Leiter betreute.
1964 ging man gemeinsam auf Welttournee. Nahezu das gesamte Frühwerk Cages wurde durch Cunningham szenisch umgesetzt.
Präparierte Klaviere
Im Rahmen einer Europatournee mit dem Pianisten David Tudor stellte Cage sein Auftragswerk 34'46.776'' für ein oder zwei »präparierte Klaviere« beim Festival für Neue Musik in Donaueschingen und bei den Darmstädter Ferienkursen vor. Die Klaviere ließ Cage für diese Zwecke mit Klammern und Dämpfern auf den Saiten »präparieren«, wodurch völlige neue Klänge entstanden.
In Darmstadt war Cage dann 1958 auch als Kursleiter tätig.
Das freie Kunstwerk
Cage sprengte nicht nur die Klangdimensionen, sondern erklärte auch den Werkbegriff für obsolet. Er experimentierte mit der Möglichkeit, die Partitur eines Stückes erst nach der Aufführung - basierend auf den gemachten Erfahrungen - festzulegen.
Ästhetische Schriften basieren auf Cages Beschäftigung mit Buddhismus und Konfuzianismus. Ebenso die erstmals in Music of Changes (1951) unternommenen Versuche mit Zufallsoperationen.
In den frühen Fünfzigerjahren produzierte Cage im Verein mit Earl Brown und Morton Feldman erstmals Musik direkt auf Tonband (Imaginary Landscape No. 5).
Das erste »Happening «
1952 arrangierte Cage, inspiriert von Antonin Artauds Le Theatre et son double im Speisesaal des Black Mountain Colleges eine Kunst-Aktion, bei der er Mitwirkenden wie Merce Cunningham, Robert Rauschenberg und David Tudor als Spielanweisung lediglich Zeitpunkt und Dauer ihrer Beiträge vorgab, nicht aber, was genau zu geschehen hätte.
Damit hatte Cage erfunden, was später in der Kunstszene ein »Happening« genannt wurde. Das Publikum befand sich inmitten einer durch Tanzeinlagen belebten, improvisatorisch durch Vorträge belebten Kunstausstellung.
Die sogenannten White Paintings, die Robert Rauschenberg bei dieser Gelegenheit vorstellte, inspirierten Cage dann im Spätsommer desselben Jahres zu einer weiteren Aktion.
4'33''
In New York stellte Cage im August 1952 4′33″ vor, ein Werk, das ausschließlich aus Stille besteht. Pianist David Tudor markierte Anfang und Ende der drei »Sätze« durch Öffnen und Schließen des Klavierdeckels.
Der Titel der »Komposition« bezieht sich auf die Dauer der Uraufführung. Laut »Spielanweisung« darf der Interpret die Länge der einzelnen Sätze aber frei bestimmen.
Die Idee, das Schweigen zur Musik zu erklären, kam Cage freilich nicht als erstem Komponisten. → Erwin Schuhoff notierte nach dem Ersten Weltkrieg bereits ein Werk namens In futurum ausschließlich durch Pausen - als Protest gegen das Toben des Krieges. Es mündet von den vielen General-Pausen in eine »Marschall-Pause«, als Anregung an die Heerführer dieser Welt...
Das experimentelle Klavierkonzert
Das Klavierkonzert aus den Jahren 1957/58 steht paradigmatisch für die von Cage propagierte Ästhetik: Es ist in unterschiedlichsten Formen aufführbar, als Konzert für Klavier und Kammerensemble, als Solostück für Klavier oder auch als Symphonie oder Arie
Merce Cunningham machte daraus sein Ballett Antic Meet (1958).
In späteren Werken arbeitet Cage mit sogenannten »Time Brackets«, die vorgeben innerhalb welcher Zeitspanne vorgegebene Klänge beginnen und wieder enden müssen.
Er schuf sich auch eine eigenwillige Nomenklatur für seinen Oeuvre-Katalog. Im Spätwerk nennt er seine Werke mit Zahlen, die jeweils für die Anzahl der Ausführenden Stehen. Hochgestellte Ziffern benennen die Reihenfolge der Entstehung. So gibt es den Titel Four im Jahr 1989 für Streichquartett und als Four2 1990 für gemischten (natürlich vierstimmigen) Chor.