Benjamin Britten
1913 - 1976
Englands erfolgreichster Komponist seit 1945
Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs betritt ein Komponist die internationale Musikszene, der im Bewußtsein der Welt erstmals seit dem Barockzeitalter die Aufmerksamkeit auf das englische Musikleben zu lenken versteht.
Gewiß, da waren Edward Elgar und Frederick Delius, da sind William Walton und Ralph Vaughan-Williams. Aber erst Benjamin Britten gelingt es - vor allem dank seiner Musiktheater-Werke, den Bann, der über der Insel liegt, zu brechen. Britten löckt, insofern durchaus Erbe der genannten englischen Meister, ungeniert gegen den Stachel des Avantgarde-Zeitgeistes. Die Doktrinen, die im deutschen und zum Teil auch französischen und italienischen Musikleben jener Jahre eine natürliche Entwicklung der Musik in Schach halten, sind ihm egal. Er schreibt Musik, die trotz Einbindung zeitgemäßer Mittel ein Publikum unmittelbar anspricht. Die Tonalität läßt er nicht hinter sich, nutzt lediglich die harmonischen Möglichkeiten der Moderne zu größerer Farbigkeit und vielschichtigem Ausdruck.
Und ein offenbar angeborener Instinkt für Theatralik und musikalische Effekte, die auf dem Theater unfehlbar wirken, sichert ihm vom ersten Bühnenton an Aufmerksamkeit.
Dabei war Britten bereits als Kind durch seine offenkundige Musikalität aufgefallen, wuchs allerdings in einem Haushalt auf, in dem es die neuesten Technologien zur Musikvermittlung nicht gab. Es wurde live Musik gemacht. Privatlehrer unterwiesen Benjamin in Klavierspiel, Bratsche und sogar Harmonielehre.
Doch wenn er eine der damals bereits üblichen Konzertübertragungen hören wollte, mußte der junge Mann zu Bekannten und Freunden pilgern, die einen Radioapparat besaßen.
Für sein musikalisches Fortkommen hatte der väterliche Technik-Bann allerdings eminente Vorteile: Benjamin Britten war schon als Jugendlicher ein hervorragender Blattspieler und feinsinniger Pianist. Das sollte ihm in der Praxis später zugute kommen.
Partituren las er, dem Zeugnis seiner Internatskommilitonen zufoge, wie andere Krimis.
Zeitlebens blieben für ihn Schallplattenaufnahmen »wie Photographien eines Gemäldes«. Er betrachtete lieber die echten Gemälde in den Museen.
Im väterlichen Haus, in dem es viel Live-Musik, aber weder ein Grammophon noch ein Radiogerät gab, begann Benjamin Britten bald die Klänge, die er in sich trug, aufzuschreiben. Klavierstücke zum eigenen Gebrauch und Lieder waren das zunächst. Bis das erste Konzerterlebnis ihn mit dem Orchesterklang konfrontierte. Ein Werk von Frank Bridge, der bald Brittens Kompositionslehrer werden sollte, weckte die Lust an breit aufgefächerten Klängen. Nach dem Vorbild von Bridges The Sea skizzierte Britten groß angelegte Partituren - ehe ihn der Unterricht bei seinem Vorbild zunächst zu kleiner dimensionierten Projekten führte, an denen er sein Handwerk schulen konnte.
Mit den 1937 vollendeten Variationen über ein Thema von Frank Bridge war Brittens eigener Stil gefestigt - und wurde erstmals in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Da war ein junger, durchaus eigenständiger englischer Komponist, der sich bei aller offenkundigen Leichtigkeit der Schreibweise auf zwischentöne und teils durchaus sinistre, dunkle Zwischentöne verstand.
Erste Auftragskompositionen galten bereits dem Theater: Schauspielmusiken und zwei Rossini-Adaptionen, die als Illustration für einen Zeichentrickfilm gedacht waren und die von Lincoln Kirsten für die American Ballet Company 1941 als Grundlage für das Ballett Divertimento verwendet wurden.
Lehrer Frank Bridge versagte seinem genialen Schüler bald die Gefolgschaft, als er mit Our Hunting Fathers für hohe Stimme und Kammerorchester (nach einem Text von Wystan H. Auden) und dem Klavierkonzert originelle eigene Wege zu beschreiten begann. Der Orchestrierungskünstler, der oft schwebend schimmernde, manchmal heftig bewegte, schwirrende Klangbilder beschwor, der Meister des Lokalkolorits, wie er später in den Opern sich zeigte, war hier schon geboren.
Im übrigen aber war sich Britten während der Kriegsjahre bereits seiner Sache sicher. Als erklärter Pazifist hatte er England in Richtung USA verlassen. Meisterlich gerieten zwei höchst gegensätzliche Werke, die um 1940 parallel entstanden: Sinfonia da Requiem und The Young Apollo, düster und ernsthaft das eine, himmelstürmend energetisch das andere, inspiriert durch Brittens damaligen Lebenspartner.
Daß er just den Jungen Apoll, virtuos für Klavier und Streicher gesetzt, nach zwei Aufführungen zurückzog, hatte vielleicht mehr mit der Verbindung zum Tenor Peter Pears zu tun, der bald darauf Brittens »Lebensmensch« werden sollte und das seinem Vorgänger gewidmete Stück nicht mochte.
Mit Pears kehrte Britten 1942 nach England zurück. Erstes bedeutendes künstlerisches Dokument der in den USA erwachsenen Partnerschaft ist die Serenade für Tenor, Horn und Orchester, ein tiefgründiges Werk, das Pears und Britten im Verein mit dem fulminanten Hornisten Denis Brain - der eigentlich bei Britten ein Hornkonzert bestellt hatte - schon kurz nach der Uraufführung in Wigmore Hall, für Schallplatten aufnahmen.
Britten war in zweiter Instanz die Kriegsdienstverweigerung zugestanden worden. So konnten in der Folge die großen Kompositionen in England uraufgeführt werden.
Das »War-Requiem«
Eine seiner bedeutendsten und bekanntesten Kompositionen läßt sich als Dokument des Pazifismus ebenso deuten wie als Verbeugung vor dem Heimatland. Das große Kriegs-Requiem entstand 1962 zur Einweihung der wiederaufgebauten Kathedrale von Coventy, die während der Schlacht um England von deutschen Bombengeschwadern zerstört worden war.
Der Partitur stellte Britten die Worte von Wilfred Owen voran:
Den Anspruch, als Künstler der Versöhnung zu dienen, versuchte Britten damals auch durch die Besetzung der Uraufführung gerecht zu werden: Als Solisten für die Premiere sollten aus Rußland Galina Wishnewskaja und aus Deutschland Dietrich Fischer-Dieskau zu den englischen Chor- und Orchesterkräften stoßen. Doch die Sopranistin erhielt von den sowjetischen Behörden keine Ausreisegenehmigung. Sie wurde durch Heather Harper ersetzt. Die Wishnewskaja durfte dann immerhin die Plattenaufnahme unter Brittens Leitung singen, die damit die ursprüngliche Friedensbotschaft für die Nachwelt bewahrt.
Die erste Oper (oder eigentlich: Operette) nach Wystan H. Audens Paul Bunyan war 1941 an der New Yorker Columbia Universität herausgekommen.
Die Opern
Paul Bunyan (1941 New York)
Peter Grimes (1945 London)
The Rape of Lucretia (1946 Glyndebourne)
Albert Herring (1947 Glyndebourne)
Billy Budd (1951 London - Covent Garden)
Gloriana (1953 London, zur Krönung Elizabeths II.)
The Turn of the Screw (1954 Venedig - La Fenice)
A Midsummer Night's Dream (1960 Aldeburgh)
Owen Wingrave (1973 London - Covent Garden)
Death in Venice (1973 Aldeburgh)
Gewiß, da waren Edward Elgar und Frederick Delius, da sind William Walton und Ralph Vaughan-Williams. Aber erst Benjamin Britten gelingt es - vor allem dank seiner Musiktheater-Werke, den Bann, der über der Insel liegt, zu brechen. Britten löckt, insofern durchaus Erbe der genannten englischen Meister, ungeniert gegen den Stachel des Avantgarde-Zeitgeistes. Die Doktrinen, die im deutschen und zum Teil auch französischen und italienischen Musikleben jener Jahre eine natürliche Entwicklung der Musik in Schach halten, sind ihm egal. Er schreibt Musik, die trotz Einbindung zeitgemäßer Mittel ein Publikum unmittelbar anspricht. Die Tonalität läßt er nicht hinter sich, nutzt lediglich die harmonischen Möglichkeiten der Moderne zu größerer Farbigkeit und vielschichtigem Ausdruck.
Und ein offenbar angeborener Instinkt für Theatralik und musikalische Effekte, die auf dem Theater unfehlbar wirken, sichert ihm vom ersten Bühnenton an Aufmerksamkeit.
Kindliche Musikerlebnisse
Dabei war Britten bereits als Kind durch seine offenkundige Musikalität aufgefallen, wuchs allerdings in einem Haushalt auf, in dem es die neuesten Technologien zur Musikvermittlung nicht gab. Es wurde live Musik gemacht. Privatlehrer unterwiesen Benjamin in Klavierspiel, Bratsche und sogar Harmonielehre.
Doch wenn er eine der damals bereits üblichen Konzertübertragungen hören wollte, mußte der junge Mann zu Bekannten und Freunden pilgern, die einen Radioapparat besaßen.
Für sein musikalisches Fortkommen hatte der väterliche Technik-Bann allerdings eminente Vorteile: Benjamin Britten war schon als Jugendlicher ein hervorragender Blattspieler und feinsinniger Pianist. Das sollte ihm in der Praxis später zugute kommen.
Partituren las er, dem Zeugnis seiner Internatskommilitonen zufoge, wie andere Krimis.
Zeitlebens blieben für ihn Schallplattenaufnahmen »wie Photographien eines Gemäldes«. Er betrachtete lieber die echten Gemälde in den Museen.
Im väterlichen Haus, in dem es viel Live-Musik, aber weder ein Grammophon noch ein Radiogerät gab, begann Benjamin Britten bald die Klänge, die er in sich trug, aufzuschreiben. Klavierstücke zum eigenen Gebrauch und Lieder waren das zunächst. Bis das erste Konzerterlebnis ihn mit dem Orchesterklang konfrontierte. Ein Werk von Frank Bridge, der bald Brittens Kompositionslehrer werden sollte, weckte die Lust an breit aufgefächerten Klängen. Nach dem Vorbild von Bridges The Sea skizzierte Britten groß angelegte Partituren - ehe ihn der Unterricht bei seinem Vorbild zunächst zu kleiner dimensionierten Projekten führte, an denen er sein Handwerk schulen konnte.
Sinfonietta, Simple Symphony
Mit 19 vollendete Britten seine an der Klang-Ästhetik von Arnold Schönbergs Kammersymphonie orientierte Sinfonietta, zwei Jahre später die für ein Streichorchester instrumentierte Smple Symphony. Beide Werke basieren auf Entwürfen des jugendlichen Heißsporns, die nun gesichtet und geordnet wurden.Mit den 1937 vollendeten Variationen über ein Thema von Frank Bridge war Brittens eigener Stil gefestigt - und wurde erstmals in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Da war ein junger, durchaus eigenständiger englischer Komponist, der sich bei aller offenkundigen Leichtigkeit der Schreibweise auf zwischentöne und teils durchaus sinistre, dunkle Zwischentöne verstand.
Erste Auftragskompositionen galten bereits dem Theater: Schauspielmusiken und zwei Rossini-Adaptionen, die als Illustration für einen Zeichentrickfilm gedacht waren und die von Lincoln Kirsten für die American Ballet Company 1941 als Grundlage für das Ballett Divertimento verwendet wurden.
Lehrer Frank Bridge versagte seinem genialen Schüler bald die Gefolgschaft, als er mit Our Hunting Fathers für hohe Stimme und Kammerorchester (nach einem Text von Wystan H. Auden) und dem Klavierkonzert originelle eigene Wege zu beschreiten begann. Der Orchestrierungskünstler, der oft schwebend schimmernde, manchmal heftig bewegte, schwirrende Klangbilder beschwor, der Meister des Lokalkolorits, wie er später in den Opern sich zeigte, war hier schon geboren.
Klavierkonzert, Sinfonia da Requiem
Nur an einem Punkt läßt sich ermessen, daß Britten sich die Kritik seines Lehrer doch zu Herzen nahm: Den dritten Satz seines Klavierkonzerts, 1940 als Auftragswerk der BBC entstanden, ersetzt er 1945 durch eine Neukomposition.Im übrigen aber war sich Britten während der Kriegsjahre bereits seiner Sache sicher. Als erklärter Pazifist hatte er England in Richtung USA verlassen. Meisterlich gerieten zwei höchst gegensätzliche Werke, die um 1940 parallel entstanden: Sinfonia da Requiem und The Young Apollo, düster und ernsthaft das eine, himmelstürmend energetisch das andere, inspiriert durch Brittens damaligen Lebenspartner.
Daß er just den Jungen Apoll, virtuos für Klavier und Streicher gesetzt, nach zwei Aufführungen zurückzog, hatte vielleicht mehr mit der Verbindung zum Tenor Peter Pears zu tun, der bald darauf Brittens »Lebensmensch« werden sollte und das seinem Vorgänger gewidmete Stück nicht mochte.
Mit Pears kehrte Britten 1942 nach England zurück. Erstes bedeutendes künstlerisches Dokument der in den USA erwachsenen Partnerschaft ist die Serenade für Tenor, Horn und Orchester, ein tiefgründiges Werk, das Pears und Britten im Verein mit dem fulminanten Hornisten Denis Brain - der eigentlich bei Britten ein Hornkonzert bestellt hatte - schon kurz nach der Uraufführung in Wigmore Hall, für Schallplatten aufnahmen.
Britten war in zweiter Instanz die Kriegsdienstverweigerung zugestanden worden. So konnten in der Folge die großen Kompositionen in England uraufgeführt werden.
Das »War-Requiem«
Eine seiner bedeutendsten und bekanntesten Kompositionen läßt sich als Dokument des Pazifismus ebenso deuten wie als Verbeugung vor dem Heimatland. Das große Kriegs-Requiem entstand 1962 zur Einweihung der wiederaufgebauten Kathedrale von Coventy, die während der Schlacht um England von deutschen Bombengeschwadern zerstört worden war.
Der Partitur stellte Britten die Worte von Wilfred Owen voran:
My subject is War, and the pity of War,
The Poetry is in the pity …
All a poet can do today is warn
Den Anspruch, als Künstler der Versöhnung zu dienen, versuchte Britten damals auch durch die Besetzung der Uraufführung gerecht zu werden: Als Solisten für die Premiere sollten aus Rußland Galina Wishnewskaja und aus Deutschland Dietrich Fischer-Dieskau zu den englischen Chor- und Orchesterkräften stoßen. Doch die Sopranistin erhielt von den sowjetischen Behörden keine Ausreisegenehmigung. Sie wurde durch Heather Harper ersetzt. Die Wishnewskaja durfte dann immerhin die Plattenaufnahme unter Brittens Leitung singen, die damit die ursprüngliche Friedensbotschaft für die Nachwelt bewahrt.
Der Opernkomponist
Mit der Verbindung zu Peter Pears begann Brittens Interesse für die Oper zu wachsen. Ab sofort widmete er seine Kräfte vorrangig dem Musiktheater.Die erste Oper (oder eigentlich: Operette) nach Wystan H. Audens Paul Bunyan war 1941 an der New Yorker Columbia Universität herausgekommen.
Die Opern
Paul Bunyan (1941 New York)
Peter Grimes (1945 London)
The Rape of Lucretia (1946 Glyndebourne)
Albert Herring (1947 Glyndebourne)
Billy Budd (1951 London - Covent Garden)
Gloriana (1953 London, zur Krönung Elizabeths II.)
The Turn of the Screw (1954 Venedig - La Fenice)
A Midsummer Night's Dream (1960 Aldeburgh)
Owen Wingrave (1973 London - Covent Garden)
Death in Venice (1973 Aldeburgh)