Friedrich Smetana

1824 - 1884

Der böhmische Nationalkomponist schlechthin darf, musikhistorisch Gesehen, als Gefolgsmann der »Neudeutschen Schule« um Franz Liszt und Richard Wagner gesehen werden. Er verehrte beide Meister sehr - und folgte Liszt in seinem symphonischen Schaffen auf dem Weg der Tondichtungen.

Liszt war auch menschlich für Smetana eine eminente Stütze: Er vermittelte die Drucklegung seiner frühen Klavierwerke, der Six morceaux caractéristiques op. 1 und der Albumblätter op. 2 bei Kistner in Leipzig, 1851, und erwies sich auch in der Folge als unermüdlicher Förderer des Kollegen.

»Mein Vaterland«

Smetana, der sich als junger Mann nicht zuletzt mit der Komposition von Märschen und einer Jubel-Ouvertüre am März-Aufstand des Jahres 1848 beteiligt hatte, schenkte dem Repertoire einige dauerhafte Werke im von Liszt »erfundenen« Genre der symphonischen Dichtung, allen voran den Zyklus Mein Vaterland, dessen zweite Nummer, Die Moldau als Musterbeispiel der gelungenen Synthese aus illustrativer Klangmalerei und raffinierter Satztechnischer Materialbehandlung gefeiert wurde, Seite an Seite mit Gipfelwerken des Genres wie Liszts Les Préludes oder den frühen Tondichtungen von Richard Strauss.

Daß Böhmens Hain und Flur, so der Titel der vierten Nummer aus dem Vaterland mit den ästhetischen Mitteln der deutschen Romantik besungen wurden, empfand damals niemand als Widerspruch. Am allerwenigsten Smetana selbst, der in seiner Jugend weitaus besser Deutsch als Tschechisch sprach.

Kühne frühe Experimente

Schon seine ersten Orchesterwerke nehmen Liszts poetische Formgebungs-Tendenzen auf und holen Operndramatik in den Konzertsaal.
Quasi zum eigenen Gebrauch während seiner Zeit als Chefdirigent des Symphonieorchesters von Göteborg schrieb Smetana zwischen 1858 und 1861 drei symphonische Dichtungen:

  • Richard III.
  • Wallensteins Lager
  • Hakon Jarl

  • dazu eine Tondichtung für Klavier, die möglicherweise ebenfalls orchestriert werden hätte sollen:
  • Macbeth und die Hexen,
  • ein Werk, das in seiner harmonischen Sprache die Möglichkeiten der Tonalität passageweise bis an die Grenzen ausreizt - und zwar parallel zur Entstehung von Wagners Tristan und Isolde. Smetana erzielt hier Wirkungen, die auf dem Klavier erst Franz Liszt -und erst etwa zwanzig Jahre später auf die Spitze treiben wird.
  • Der Nationalkomponist

    Nach Fertigstellung seiner Oper Libusa, die 1872 im Zuge der Erstarkung des tschechischen Nationalgedankens ausdrücklich als böhmische »Festoper« gedacht war, griff der Komponist noch einmal auf die Ausdrucksform der symphonischen Dichtung zurück und verfaßte nach und nach bis 1879 die sechs Nummern von Mein Vaterland (»Ma Vlast«)

    * Vyšehrad

    * Die Moldau

    * Šárka

    * Aus Böhmens Hain und Flur

    * Tabor

    * Blaník

    Wobei die beiden letzten Werke drei Jahre nach Vollendung der ersten vier nachgereicht wurden. Smetana mußte damals bereits dem Schicksal ins Angesicht schauen: Er wußte, daß er vollständig ertauben würde.

    Der Weg zur Anerkennung war freilich zäh - die Verleger wollten von Smetanas symphonischen Dichtungen nichts wissen - die Herausgabe aller sechs Partituren durch einen Prager Verlag erlebte er nicht mehr. Wohl aber die günstige Aufnahme seiner Musik durch die Landsleute. Alle sechs Tondichtungen wurden einzeln uraufgeführt, die Moldau brachte es bald international zu Popularität. Als Zyklus erklang Mein Vaterland erst in späteren Zeiten regelmäßig. In Prag gibt es die Tradition, das Vaterland alljährlich am Todestag des Komponisten, dem 12. Mai, zur Eröffnung des »Prager Frühlings« durch die Tschechische Philharmonie aufführen zu lassen.
    Die erste Wiedergabe dieser Art nach dem Zusammenbruch des Kommunismus dirigierte als Heimkehrer der große Dirigent → Rafael Kubelik. Der Livemitschnitt dieses Konzerts vom 12 Mai 1990 gilt als die Aufnahme des Werkzyklus schlechthin.

    Smetanas Schicksal in Tönen Die beiden Streichquartette Friedrich Smetanas dokumentieren den gesundheitlichen Verfall des Komponisten im Gefolge einer venerischen Erkrankung. →

    Die Komposition der beiden abschließenden Tondichtungen seines Vaterlands vollendete Smetana bereits im Bewußtsein seiner fortschreitenden Ertaubung.

    Dieses Beethoven-Schicksal verarbeitet er auch im ersten seiner beiden Streichquartette, dem er den Titel Aus meinem Leben gab. Die Mittel der Tondichtung werden hier auf die Königsdisziplin der klassischen Kammermusik übertragen. Im letzten Satz gibt ein hoher Flageolett-Ton der Ersten Violine das quälenden Ohrensausen wieder, unter dem Smetana litt.

    Das Zweite Streichquartett dokumentiert nach Ansicht vieler Kommentatoren bereits den Verfall des Komponisten. Schon die Grundtonart d-Moll findet das Werk nur in mühsamen Anläufen, die harmonische Sprache ist extrem geweitet, die Tonalität unterminiert.

    Im Sommer 1883 versuchte sich Smetana, bereits ertaubt, noch einmal zu einer größeren kompositorischen Arbeit aufzuraffen. Der Erfolg von Mein Vaterland inspirierte ihn zu einer neuen Reihe von Tondichtungen, deren erste eine knappe, harmonisch und instrumentationstechnisch äußerst kühn gesetzte musikalische Schilderung des Prager Karnevals darstellt.
    Weitere Werke konnte Smetana nicht mehr in Angriff nehmen. Während der Uraufführung seiner Karnevals-Klänge im März 1884 dämmerte er in der Prager Irrenanstalt bereits seinem Ende entgegen.

    Der Opernkomponist

    Mit seinem Bühnenwerken wanderte Smetana das eine oder andere Mal durchaus auf den Spuren seines musikalischen Idols Richard Wagner. Doch wurde eine böhmische Komödie, voll von heimatlichen Tanzrhythmen zu seinem Chef d'Oeuvre: Die verkaufte Braut schaffte es auf die internationalen Bühnen und gilt bis heute als eine der besten heiteren Opern der musikalischen Romantik. Von den übrigen Bühnenwerken reizt immer die heroische Oper → Dalibor viele Intendanten immer wieder zu einem Versuch. Gilt sie doch als »böhmischer Fidelio«.

    ↑DA CAPO