Bruckners Uraufführungen
Niederlagen und Triumphe im Wiener Musikverein.
Anläßlich der Weltausstellung 1873 kam Anton Bruckners Zweite Symphonie im neuen großen Musikvereinssaal zur Uraufführung. Bejubelt zwar, aber auch als schwer verständlich bestaunt.
Das Werk bestehe aus
Und doch:
Selbst wer vom »Geschrei der Partei« (nämlich der enthusiastisch jubelnden »Wagnerianer«) absah, mußte, so befand ein Rezensent, diesmal von einem Publikumserfolg sprechen, der auch einen Auftrag für »unsere erste Concertgesellschaft« bedeute, nämlich Anton Bruckner
Im Dezember 1892 hieß es im Vaterland bereits:
Rätselhafte Zweite
Es ließe sich nicht »bei jedem Takte der Bruckner'schen Symphonie ... mit Bestimmtheit darauf schließen, was schon der nächste Takt bringen wird«, befand Rezensent Theodor Helm.Das Werk bestehe aus
geistvollen Improvisationen und von diesen ist nicht einmal jede aus einem Guße, jede besteht selbst wieder aus einander gänzlich fremd gegenüberstehenden Improvisationen, die zu völlig verschiedener Zeit entstanden sein könnten.
Und doch:
Auch vorurteilsfreie, kühle Kritik muß Herrn Bruckner einen großen, verdienten Erfolg zugestehen.
Das Desaster der Dritten
Desaströs verlief vier Jahre später die Uraufführung der Dritten:Glänzende Details voll Adel und instrumentaler Schönheit liegen in diesem Werke haufenweise übereinander, wie kostbare Einrichtungsstücke bei einem Trödler,urteilte die Sonn-und Montagszeitung und sinnierte:
Ob es im Interesse der Kunst läge, die Concertbesucher durch Absperrung der Saalthüren zur Anhörung aller Theile einer solchen Symphonie zu verhalten, möge hier unerörtert bleiben.
Ohne Zweifel macht es einen peinlichen Eindruck auf den Componisten oder Dirigenten, und wohl auch auf die ausübenden Musiker, wenn das Publikum jede Pause benützt, um sich auf die Straße zu retten.
Triumph der Vierten
Anton Bruckner hatte nach dem Fiasko seiner Dritten dreieinhalb Jahre zu warten, bis ihm die Wiener anlässlich der Uraufführung der Vierten, der sogenannten Romantischen endlich zu Füßen lagen:Wollten wir nach dem wahrhaft stürmischen Beifall urtheilen, welcher jedem Satze der Novität... gespendet wurde, so hätte man es mit einem der allergrössten symphonischen Meisterwerke der Gegenwart zu thun, das von Brahms, Volkmann, Raff, Liszt etc. auf diesem Felde Geleistete weit überragendDer Rezensent gab sich anders als das Auditorium noch spöttisch distanziert, die Nachwelt ist sich nur im Falle von Brahms bei dieser Wertung nicht ganz sicher...
Ehrenrettung der Dritten
Bis zur Ehrenrettung der Dritten dauerte es aber immer noch ein Weilchen: Im Dezember 1890 brach eine philharmonische Aufführung unter Hans Richter den Bann.Selbst wer vom »Geschrei der Partei« (nämlich der enthusiastisch jubelnden »Wagnerianer«) absah, mußte, so befand ein Rezensent, diesmal von einem Publikumserfolg sprechen, der auch einen Auftrag für »unsere erste Concertgesellschaft« bedeute, nämlich Anton Bruckner
nunmehr nach Gebühr zu würdigen.
Im Dezember 1892 hieß es im Vaterland bereits:
Das Ereignis der Saison ist der großartige Erfolg der achten Symphonie Anton Bruckners, im vierten philharmonischen Concerte. Mit einer Einmüthigkeit, welche dem musikverständigen Thiele der Zuhörer zur Ehre gereicht, wurde das neueste Werk des großen Symphonikers bejubelt und ein Hauch der Versöhnung schwebt seit Sonntag über den Parteien, welche durch Jahre hindurch für und gegen Bruckner gekämpft haben.
Posthum: Die Neunte
Als besonderes Fest beging man im Musikvereinssaal dann 1903 die posthume Uraufführung der drei vollendeten Sätze der Neunten durch die Philharmoniker unter Ferdinand Löwe:Rauschender Beifall empfing Löwe, der das schwierige Werk auswendig dirigierte, bei seinem Kommen und nach jedem Satze donnerte der Beifall minutenlang im Saale
»Neues Wiener Journal«.