Concerti grossi

Georg Friedrich Händels groß angelegte Instrumentalwerke - ausgenommen vielleicht die Feuerwerks- und die Wassermusik standen für die Nachwelt für lange Zeit nicht im Mittelpunkt des Interesses. Zwar hat man Händels Namen stets in Ehren gehalten. Doch lag diese Wertschätzung an der Tatsache, daß der Komponist mit seinen Oratorien Werke geschaffen hatte, die nie aus dem Aufführungsrepertoire verschwanden.

Daß Händel auch ein Großmeister der Konzertform war und zwei beachtliche Serien von Concerti grossi hinterlassen hat, vergaß man über den fashionablen Konzerten von Vivaldi und - nach dessen Wiederentdeckung - über den Brandenburgischen Konzerten und den Solokonzerten Johann Sebastian Bachs.

Doch stehen die Concerti Händels in einer anderen Tradition.
Georg Friedrich Händels Concerti grossi entstanden in zwei Serien. Die erste, sechs Werke umfassend, um das Jahr 1734, veröffentlicht als op. 3, die zweite als Folge von zwölf Konzerten im September und Oktober 1739, veröffentlicht als op. 6. Die Form des Concerto grosso war damals bereits historisch. Согellis Schüler Geminiani hatte im Gefolge seines Herrn und Meisters die Gattung bereits auf eine einsame Höhe geführt. Seine Concerti waren in der Regel viersätzig und verschmolzen das konzertierende Prinzip mit der Ritornellform des barocken Solokonzerts. In England waren Corellis Werke dank ihrer Herausgabe durch Geminiani ungemein populär und wurden wesentlich häufiger aufgeführt als etwa Concerti von Vivaldi.

Händel, der mit seinen → Orgelkonzerten als Komponist und Virtuose ungeheure Popularität erlangt hatte, orientierte sich als Komponist von Concerti grossi daher viel eher an Corelli als an »moderneren« Vorbildern. Das mag konservativ scheinen, doch definiert Hänel die Form Stück für Stück neu. Von Konzert zu Konzert wechselt die Satzfolge. Gegenüber Corellis vergleichsweise kurzatmiger Dramaturgie bevorzugt Händel weiter gesponnene Entwicklungen, läßt die Musik großzügiger atmen und befleißigt sich nicht der meist strengen symmetrischen Konstruktionsprinzipien Corellis. Seine Concerti leben von Überraschungen, originellen und fantasievollen Erzählungen. Und in den langsamen Sätzen von seiner im Musiktheater geübten Beherrschung der Melodie, weshalb die langsamen Sätze seiner Concerti die beliebten ariosen Adagios Marke Vivaldi oft turmhoch überragen.

Kompositionstechnisch wechselt Händel die Methode von Fall zu Fall: Immer wieder gibt es eine Fülle von motivischen Ideen, manchmal aber auch die vollständige Konzentration auf ein Thema, das nach allen Regeln der Kunst und mit ungeahnten Ideen regelrecht »durchgeführt« wird. Gerade in der Vielfalt, die Händels Fantasie den formalen Möglichkeiten des Concerto grosso immer neue Facetten abgewinnt, liegt die Größe der 18 Werke, die er zur Gattungsgeschichte beigesteuert hat. Jedes einzelne birgt Hörabenteuer in sich, die Interpreten und Publikum immer aufs neue herausfordern.


     

Concerti grossi op. 3

     

Concerti grossi op. 6



     

DA CAPO