8. September 2008
Drei Männer und das Opernbaby
Droht der Welt-Oper der «Netrebkoismus»?
Ein Gespenst geht um. Die Gefahr namens »Netrebkoismus« sei die größte Bedrohung für das Opernleben in unseren Tagen, meinte Wiens Opernchef, Ioan Holender, kürzlich in einem Interview. Kurz danach demonstrierte man uns, was er damit meinen könnte: Anna Netrebko und Erwin Schrott sind Eltern geworden. Der Bub wiegt dreieinhalb Kilo und ist natürlich entzückend.
Das bewegt Klatschspaltenschreiber und deren Leser. Und wie man sieht, geht das Ereignis nicht einmal an dieser Kolumne spurlos vorüber, die doch in Wahrheit hochkulturellen »Zwischentönen« gewidmet sein sollte.
Eben das meine er, würde Ioan Holender jetzt vermutlich entgegnen. Die vermeintliche Kulturberichterstattung ist in vielen Fällen bereits der Übermittlung von Gesellschaftstratsch gewichen. Wenn der gerade führende Star nicht auf der Bühne steht, ist Oper, ohnehin längst Nebensache, nicht mehrheitsfähig.
Liest man im besagten Artikel weiter, findet man ähnlich apokalyptische Aussagen des Regisseurs Martin Kusej, der da meint, Oper interessiere ihn viel weniger als Schauspiel, denn im Musiktheater könne man so wenig »ausprobieren«. Da streift er eine Lustbarkeit der Inszenatorengilde, die der Gattung Oper vielleicht weitaus aggressiver zusetzt als der »Netrebkoismus«.
Denn die Gier, allerhand Nettes »auszuprobieren«, droht seit geraumer Zeit die hohe Kunst der ehrlichen Umsetzung von dramatischer Literatur (mit und ohne Musik) zu übervorteilen.
Dabei hat gerade Kusej mit Arbeiten wie der Salzburger »Titus«-Inszenierung bewiesen, wie die Vereinigung von klarer szenischer Erzählkunst mit ebenso getreulicher musikalischer Umsetzung ein uraltes, scheinbar rettungslos verstaubtes Musiktheaterwerk zu lebendigem, ja brandaktuellem Ausdruck führen kann. Manchmal probieren die Interpreten, inspiriert von Librettisten und Komponisten, halt offenbar doch das Richtige aus.
Aussagen wie jene skeptischen Kommentare Martin Kusejs erinnern hingegen von fern an die von Pierre Boulez einst erhobene Forderung, die Opernhäuser doch allesamt in die Luft zu sprengen, damit man in der Kunst von vorn wieder anfangen könne.
Dass derselbe Boulez ein paar Jahre später zum Bayreuther Festspielkünstler wurde, lässt aber hoffen, dass es mit Martin Kusej ähnlich weitergehen könnte wie mit dem einst so verbal-rebellischen Komponisten und Dirigenten: Immerhin inszeniert Kusej demnächst in Wien »The Rake's Progress« - vielleicht probiert er aus, wie das ist, wenn man Strawinsky und Auden ernst nimmt. Könnte wieder eine erfolgreiche Produktion werden - und mithelfen, die Gefahr des »Netrebkoismus« doch noch ein wenig in Zaum zu halten.
Das bewegt Klatschspaltenschreiber und deren Leser. Und wie man sieht, geht das Ereignis nicht einmal an dieser Kolumne spurlos vorüber, die doch in Wahrheit hochkulturellen »Zwischentönen« gewidmet sein sollte.
Eben das meine er, würde Ioan Holender jetzt vermutlich entgegnen. Die vermeintliche Kulturberichterstattung ist in vielen Fällen bereits der Übermittlung von Gesellschaftstratsch gewichen. Wenn der gerade führende Star nicht auf der Bühne steht, ist Oper, ohnehin längst Nebensache, nicht mehrheitsfähig.
Liest man im besagten Artikel weiter, findet man ähnlich apokalyptische Aussagen des Regisseurs Martin Kusej, der da meint, Oper interessiere ihn viel weniger als Schauspiel, denn im Musiktheater könne man so wenig »ausprobieren«. Da streift er eine Lustbarkeit der Inszenatorengilde, die der Gattung Oper vielleicht weitaus aggressiver zusetzt als der »Netrebkoismus«.
Denn die Gier, allerhand Nettes »auszuprobieren«, droht seit geraumer Zeit die hohe Kunst der ehrlichen Umsetzung von dramatischer Literatur (mit und ohne Musik) zu übervorteilen.
Dabei hat gerade Kusej mit Arbeiten wie der Salzburger »Titus«-Inszenierung bewiesen, wie die Vereinigung von klarer szenischer Erzählkunst mit ebenso getreulicher musikalischer Umsetzung ein uraltes, scheinbar rettungslos verstaubtes Musiktheaterwerk zu lebendigem, ja brandaktuellem Ausdruck führen kann. Manchmal probieren die Interpreten, inspiriert von Librettisten und Komponisten, halt offenbar doch das Richtige aus.
Aussagen wie jene skeptischen Kommentare Martin Kusejs erinnern hingegen von fern an die von Pierre Boulez einst erhobene Forderung, die Opernhäuser doch allesamt in die Luft zu sprengen, damit man in der Kunst von vorn wieder anfangen könne.
Dass derselbe Boulez ein paar Jahre später zum Bayreuther Festspielkünstler wurde, lässt aber hoffen, dass es mit Martin Kusej ähnlich weitergehen könnte wie mit dem einst so verbal-rebellischen Komponisten und Dirigenten: Immerhin inszeniert Kusej demnächst in Wien »The Rake's Progress« - vielleicht probiert er aus, wie das ist, wenn man Strawinsky und Auden ernst nimmt. Könnte wieder eine erfolgreiche Produktion werden - und mithelfen, die Gefahr des »Netrebkoismus« doch noch ein wenig in Zaum zu halten.