Mendelssohns Symphonien

Die Schulweisheit lehrt: Fünf Symphonien hat Felix Mendelssohn-Bartholdy komponiert. Das ist nur die halbe Wahrheit, oder genau genommen nur ein Bruchteil davon. Schon die Numerierung der bekannten fünf Symphonien entspricht ganz und gar nicht der Chronologie der Entstehung der Werke. Im Falle der Nummer 1 stimmt immerhin die Tatsache, daß mit diesem Werk die Reihe jener Symphonien beginnt, die der Komponist zur Veröffentlichung freigeben wollte. Zuvor waren bereits zwölf später sogenannte Jugendsymphonien für Streicher entstanden, in denen sich Mendelssohn mit der symphonischen Form experimentierend und in starker Anlehnung an Vorbilder auch aus der Vorklassik und dem Barock auseinandergesetzt hat.

Die c-Moll-Symphonie von 1824 war tatsächlich die erste, die Mendelssohn 1835 zur Veröffentlichung freigab.

Es folgte zunächst die posthum als Symphonie Nr. 5 gedruckte sogenannte Reformationssymphonie, die chronologisch die die erste der beiden deutlich religiös konnotierten Symphonien des vom Judentum zum Protestantismus konvertierten Komponisten darstellt.. Dann erst entstand die groß angelegte, nach Beethovens Vorbild Soli und Chor integrierende Symphonie Nr. 2, die in Wahrheit eine dudrch drei kurze Instrumentalsätze eingeleitete Kantate namens Lobgesang darstellt.

Die folgenden beiden Werke wurden Mendelssohns populärste Symphonien: Die sogenannte Schottische skizzierte der Komponist tatsächlich während eines Aufenthalts auf den britischen Inseln, stellte sie aber erst lang nach der als Symphonie Nr. 4 im Druck erschienen Italienischen fertig. Chronologisch war die Schottische, allgemein als Symphonie Nr. 3 bekannt, die letzte vollendete Symphonie Mendelssohns.

Aufnahmen



Gegenüber den folgenden Symphonien führt die Erste im Konzertgebrauch und in den Schallplattenkatalogen ein kümmerliches Dasein. Allerdings hat die Orginalklang-Mode auch Mendelssohns Frühwerk in den Fokus gehoben. Während in früheren Gesamtaufnahmen - etwa unter Sawallisch oder Karajan - das Werk eher pflichtschuldig als nach Neigung, der Vollständigkeit halber im Studio »absolviert« wurde, um zur Schottischen oder der Italienischen voranschreiten zu können, hört man in Interpretationen wie jener von André Manze mit dem NDR-Orchester bei kleinerer Orchesterbesetzung doch deutlich größeres Engagement. Der Gegensatz zwischen dem feurigen c-Moll-Thema und den lyrischen Holzbläser-Einwürfen im Kopfsatz etwa entfaltet hier gleich zu Symphoniebeginn die rechte, emotionell-bewegte Atmosphäre und rückt das Werk glaubwürdig in die Umgebung der deutschen Frühromantik.

↑DA CAPO