Die Klaviertrios
Das Trio in Es-Dur
Das Es-Dur-Trio entstand 1827 zur Zeit der Winterreise und ist von durchaus vergleichbarer Ausdrucks-Intensität. Wie im Liederzyklus reißt die Spannung und die emotionelle Beteiligung in keinem Moment ab - Schubert schafft das im kammermusikalischen Werk ohne Worte, indem er seinen Instrumentalmelodien und deren »Begleitung« ähnlich beredte Qualität zugesteht wie der Singstimme in den Vertonungen der aufwühlenden Gedichte.
Zwar ist der Duktus des Eingangs-Allegros von Schwung und positiver Energie getragen, doch hörte schon der erste bedeutende Kommentator, Robert Schumann, in den ersten beiden Themen des Satzes
tiefen Zorn und wiederum überschwengliche Sehnsucht.
Letzteres Gefühl bricht sich in den Verarbeitungen des dritten melodischen Gedankens Bahn, die die zentrale Durchführung beherrschen, deren große, weit geatmete Blöcke Bruckner vorausahnen lassen.
Im Andante vernahm Schumann
einen Seufzer, der sich bis zur Herzensangst steigern möchte.Seufzend klingt hier tatsächlich das Cello-Thema, das sich über kalten Akkorden entfaltet und tatsächlich wie die »gefrorene Tränen« aus der Winterreise klingt. Das Thema ist tatsächlich das Zitat eines Lieds, allerdings keines eigenen, sondern eines schwedischen Volkslieds, das Schubert im November 1827 im Salon der Schwestern Fröhlich gehört hatte, gesungen von dem schwedischen Tenor Albert Berg. Eine bezeichnende, dramatische Metamorphose beschreibt dann Thema Nr. 2, das zunächst in freundlichem Dur erscheint, dann aber kapriziöse Sprünge in immer gefährlichere Regionen wagt und bald bedrohlich zu klingen beginnt. Ein flehentliches Wiederaufflammend der schwedischen Lied-Melodie (das meinte Schumann wohl mit Herzensangst) kann keine Beruhigung bringen, erst die zweite Wiederkehr des Themas, harmonisch neu beleuchtet, bringt die Turbulenzen zur Ruhe, hinterläßt den Hörer aber melancholisch.
So kommt denn auch das Scherzando, das spielerisch beginnt, im Trio nicht ohne ironische, ja zynisch-spitze Untertöne aus. Das Drama ist nicht zu Ende: Schubert hat noch einen Final-Satz geschrieben, der zu den längsten, fantastisch-ausufernden Versuchen auf seinem viel zitierten »Weg zur großen Symphonie« gehört. Selten ist dieser vierte Satz in seiner ursprüngliche Länge zu hören: Für die Drucklegung hat ihn Schubert selbst empfindlich gekürzt - und immer noch 750 Takte übrig gelassen - an Stelle des hier gewohnten unbeschwerten Kehraus steht ein riesiger Sonatensatz als Dialog zwischen zwei in Charakter, Tonart und Taktart (!) extrem gegensätzlichen Themen(blöcken). In der - bis ins tonal weit abgelegene h-Moll treibenden - Durchführung und in der Coda kehrt auf den emotionalen Höhepunkten der Erzählung das »schwedische« Thema des zweiten Satzes wieder, neu verbrämt und in seiner melancholischen Grundhaltung erst ganz zuletzt überwunden: Das Werk schließt positiv und wie eine späte Bestätigung der allerersten Emotionen, die der Hörer beim Eintritt des Eingangsthemas der ersten Satzes vielleicht empfunden haben mag.