Wien ist noch eine Oase
Günter Pichler, Primgeiger des Alban Berg Quartetts, im Gespräch über die Zukunft der Kammermusik und den internationalen Musikbetrieb.
5. Jänner 2004
Das Alban Berg Quartett, gleich nach seinem Debüt im Wiener Konzerthaus, Anfang der siebziger Jahre, als "Wunder" bezeichnet und innerhalb kurzer Frist zum meistgesuchten Kammermusikensemble der Welt aufgestiegen, musiziert schon seit mehr als drei Jahrzehnten auf allerhöchstem Niveau. Zweimal haben innerhalb der ersten zehn Jahre Musiker gewechselt. Die heutige Besetzung mit Günter Pichler, Gerhard Schulz, Thomas Kakuska, Valentin Erben blieb jedoch seit Anfang der Achtziger unverändert.
Kontinuität und Perfektionsstreben sorgen für den gleich bleibenden internationalen Rang des Alban Berg Quartetts, das in aller Welt konzertiert - und daher auch mitverfolgen kann, wie sich das Musik-Business stetig verändert. Glaubt man Berichten aus London, New York oder Tokio, dann nicht zum Bessern. Günter Pichler kann das bestätigen: "Vor vollen Häusern spielt man in Fernost zum Beispiel seit langem nicht mehr. In Japan war wohl seit Carlos Kleibers Auftritten auch kaum ein Konzert der Wiener Philharmoniker mehr ausverkauft. Da gibt es ein ganz eigenartiges Phänomen: Es gibt japanische Stars, die man hierzulande überhaupt nicht kennt, die spielen Konzerte zu viel niedrigeren Eintrittspreisen als die europäischen oder amerikanischen Gäste - und sind voll."
Dass der fernöstliche Musikmarkt, der für Ensembles aus dem Westen einst so lukrativ war, mehr oder weniger zusammengebrochen ist, liegt nach Pichlers Meinung an den unvorsichtigen Strukturen der Programmierung. "Über Jahre hin", sagt er, "hat man dort immer nur ein paar Hits aus dem Klassischen Repertoire wiederholt. Alle Orchester, alle Solisten, alle Kammermusik-Ensembles haben immer das Gleiche gespielt."
Ähnliche Tendenzen zeigen sich auf dem europäischen Parkett. "Wien", so Pichler, "ist noch eine Oase. Überall anders ist der Besuch schlechter. Aber es gibt Ausnahmen. Und diese sind Einzelpersönlichkeiten im Management zu verdanken." Organisatoren wie der einstige Wiener Konzerthaus-Generalsekretär und jetzige Zürcher Opernchef Alexander Pereira seien, sagt Pichler, in Eigenregie dafür verantwortlich, dass ihre Häuser gestürmt werden.
Insofern bestätigt sich nach drei Jahrzehnten die Richtigkeit jener These, die Pichler und seine Quartett-Kollegen schon in den Siebzigern aufgestellt und dann konsequent verfolgt haben: In jedem Programm ist zwischen Klassikern und Romantikern immer auch ein Werk der neueren oder zeitgenössischen Musik zu hören. Pichler: "Das ist heute vollkommen akzeptiert. Vor allem: Wenn ein Haydn schön gespielt wird, dann glauben die Leute den Musikern auch György Ligeti!" Vertrauensbildende Maßnahmen, sozusagen. Und vielleicht eine Hoffnung für den gebeutelten Musikbetrieb?
Das Alban Berg Quartett beginnt demnächst seine Arbeitsphase für die laufende Saison. Das erste Abonnementkonzert, das die vier gemeinsam absolvieren, findet Ende Jänner statt - zwischen zwei Streichquintetten von Mozart steht Erich Urbanners drittes Quartett. "Die Mozart-Quintette", sagt Pichler, "die wir mit Tabea Zimmermann aufführen, haben wir seit 20 Jahren nicht mehr gespielt. Wir freuen uns sehr darauf, denn für mich zählen diese Stücke zu den allerschönsten, die Mozart geschrieben hat."
Im Übrigen ist Pichler überzeugt, dass ein Ensemble nach drei Jahrzehnten das Recht hat, seine Favoriten wieder und wieder ins Programm zu nehmen. "Wir wünschen uns für 2005 einen Schubert-Zyklus und möchten 2006 noch einmal einen Mozart- und Beethovenschwerpunkt setzen. Wobei wir Mozart mit Bela Bartok kombinieren werden, was mir eine wichtige Gegenüberstellung zu sein scheint."
Über die Jahre hin hat das Alban Berg Quartett gelernt, auf Publikums-Eigenheiten zu reagieren: "Es hat keinen Sinn, mit aller Gewalt missionarisch tätig werden zu wollen. Einen reinen Bartok-Abend zum Beispiel kann man fast nirgendwo machen. Aber wir wollen ja nichts erzwingen. Wir wollen überzeugen". Was bis dato ja offenbar weltweit glänzend gelungen ist.
Kontinuität und Perfektionsstreben sorgen für den gleich bleibenden internationalen Rang des Alban Berg Quartetts, das in aller Welt konzertiert - und daher auch mitverfolgen kann, wie sich das Musik-Business stetig verändert. Glaubt man Berichten aus London, New York oder Tokio, dann nicht zum Bessern. Günter Pichler kann das bestätigen: "Vor vollen Häusern spielt man in Fernost zum Beispiel seit langem nicht mehr. In Japan war wohl seit Carlos Kleibers Auftritten auch kaum ein Konzert der Wiener Philharmoniker mehr ausverkauft. Da gibt es ein ganz eigenartiges Phänomen: Es gibt japanische Stars, die man hierzulande überhaupt nicht kennt, die spielen Konzerte zu viel niedrigeren Eintrittspreisen als die europäischen oder amerikanischen Gäste - und sind voll."
Dass der fernöstliche Musikmarkt, der für Ensembles aus dem Westen einst so lukrativ war, mehr oder weniger zusammengebrochen ist, liegt nach Pichlers Meinung an den unvorsichtigen Strukturen der Programmierung. "Über Jahre hin", sagt er, "hat man dort immer nur ein paar Hits aus dem Klassischen Repertoire wiederholt. Alle Orchester, alle Solisten, alle Kammermusik-Ensembles haben immer das Gleiche gespielt."
Ähnliche Tendenzen zeigen sich auf dem europäischen Parkett. "Wien", so Pichler, "ist noch eine Oase. Überall anders ist der Besuch schlechter. Aber es gibt Ausnahmen. Und diese sind Einzelpersönlichkeiten im Management zu verdanken." Organisatoren wie der einstige Wiener Konzerthaus-Generalsekretär und jetzige Zürcher Opernchef Alexander Pereira seien, sagt Pichler, in Eigenregie dafür verantwortlich, dass ihre Häuser gestürmt werden.
In London vor vollen Sälen
Pichler: "So ist es auch zu verstehen, dass wir etwa in London, wo viele über enormen Besucherschwund klagen, dank Nicolas Snowman immer vor vollen Sälen spielen - und dass unglaublich viel junges Publikum kommt." Pichler ist überzeugt: "Durchzusetzen ist ein solches, dem Trend scheinbar gegenläufiges Wunder nur durch ein interessantes Programm. Und man braucht Zeit dafür, das Vertrauen des Publikums zu gewinnen." Nur die "Schlager" zu spielen, ist jedenfalls die falsche Stoßrichtung.Insofern bestätigt sich nach drei Jahrzehnten die Richtigkeit jener These, die Pichler und seine Quartett-Kollegen schon in den Siebzigern aufgestellt und dann konsequent verfolgt haben: In jedem Programm ist zwischen Klassikern und Romantikern immer auch ein Werk der neueren oder zeitgenössischen Musik zu hören. Pichler: "Das ist heute vollkommen akzeptiert. Vor allem: Wenn ein Haydn schön gespielt wird, dann glauben die Leute den Musikern auch György Ligeti!" Vertrauensbildende Maßnahmen, sozusagen. Und vielleicht eine Hoffnung für den gebeutelten Musikbetrieb?
Das Alban Berg Quartett beginnt demnächst seine Arbeitsphase für die laufende Saison. Das erste Abonnementkonzert, das die vier gemeinsam absolvieren, findet Ende Jänner statt - zwischen zwei Streichquintetten von Mozart steht Erich Urbanners drittes Quartett. "Die Mozart-Quintette", sagt Pichler, "die wir mit Tabea Zimmermann aufführen, haben wir seit 20 Jahren nicht mehr gespielt. Wir freuen uns sehr darauf, denn für mich zählen diese Stücke zu den allerschönsten, die Mozart geschrieben hat."
Im Übrigen ist Pichler überzeugt, dass ein Ensemble nach drei Jahrzehnten das Recht hat, seine Favoriten wieder und wieder ins Programm zu nehmen. "Wir wünschen uns für 2005 einen Schubert-Zyklus und möchten 2006 noch einmal einen Mozart- und Beethovenschwerpunkt setzen. Wobei wir Mozart mit Bela Bartok kombinieren werden, was mir eine wichtige Gegenüberstellung zu sein scheint."
Über die Jahre hin hat das Alban Berg Quartett gelernt, auf Publikums-Eigenheiten zu reagieren: "Es hat keinen Sinn, mit aller Gewalt missionarisch tätig werden zu wollen. Einen reinen Bartok-Abend zum Beispiel kann man fast nirgendwo machen. Aber wir wollen ja nichts erzwingen. Wir wollen überzeugen". Was bis dato ja offenbar weltweit glänzend gelungen ist.