Rundum stimmig, trotz schlechter Tonqualität mitreißend ist der in New York 1948 entstandene Livemitschnitt von der New Yorker Metropolitan Opera als Referenz-Aufnahme zu empfehlen: Die differenzierte, dabei ungemein kraftvolle Gestaltung durch den Dirigenten Fritz Busch legt die Nervenstränge der Musik bloß, wahrt aber auch die große Linie. Licia Albanese, Ramon Vinay und Leonard Warren führen das Ensemble souverän an. Selbst die legendäre Aufnahme Arturo Toscaninis kann da nicht ganz mithalten. (Myto)
Toscanini, der schon die Uraufführung des Werks - und alle Probenanweisungen Verdis - miterleben durfte, ist als Instanz für die Interpretation natürlich von unschätzbarer Bedeutung. Unter seiner Leitung singt Vinay - der Otello seiner Generation (auch in Salzburg bei Furtwängler) - nicht ganz so frei und jedenfalls nicht so spontan wie unter Buschs Leitung, aber - angestachelt vom einzigartigen Jago des Giuseppe Valdengo - immer noch so, daß behauptet werden darf, diese Partie hätte nach ihm kein Tenor mehr so facettenreich gestaltet.
Wie man den gefährlichen Intriganten Jago musikalisch darstellen kann, läßt nach Valdengo (bei Toscanini) und Giuseppe Taddei, dessen grandiose Interpretation leider nur im Rahmen einer insgesamt drittklassigen Gesamtaufnahme dokumentiert ist, lediglich noch Tito Gobbi wirklich hören: Auf der 1960 entstandenen Einspielung unter Tullio Serafins Leitung, an der Seite der blutvollen Desdemona Leonie Rysaneks und des jungen, noch im vollen Saft seiner stimmlichen Mittel agierenden Tenors Jon Vickers, dem ein breit gefächertes vokales Seelenprotokoll gelang.
Als Filmdokument beeindruckend die optische Dokumentation der Salzburger Festspielproduktion Herbert von Karajans von Anfang der Siebzigerjahre, die Vickers' psychologisch tiefgründige Charakterstudie mit dem engelsgleichen Gesang Mirella Frenis konfrontiert. Der gigantische Sturm, den Karajan mit den Berliner Philharmonikern zu Beginn entfesselt, hat in der Aufnahmegeschichte nicht seinesgleichen - bedürfte allerdings endlich einer adäquaten Edition auf einem Digitalmedium. Die Tonspur der DG-DVD ist vergleichsweise armselig. Nachzuhören ist das besser auf der mittlerweile im Vertriebssystem von Warner gelandeten CD-Edition der einstigen EMI-Schallplatte - die allerdings ebenfalls noch einer liebevollen Digitalisierung harrt.
DA CAPO