Verdi: MACBETH

Ich glaube, dass diese Oper, unserer Musik eine ganz neue Richtung geben und den Komponisten von heute und in der Zukunft neue Wege eröffnen wird
Giuseppe Verdi war davon überzeugt, daß er mit seiner ersten Shakespeare-Vertonung die Operngeschichte revolutionieren würde. In der Tat ist ihm das gelungen. Er selbst ist über manche Errungenschaften dieses Werks nicht mehr hinausgegangen, hat bestimmte Möglichkeiten, die er angesichts der blutrünstigen Handlung dem Musiktheater erschloß selbst nicht mehr in dieser Radikalität genutzt.

Insofern steht Macbeth singulär in Verdis Oeuvrekatalog da.


Szenenbild der Pariser Erstaufführung, 1865

Für Verdi, mitten in seinen von ihm selbst so bezeichneten »Galeerenjahren«, in denen er Jahr für Jahr eine neue Opern komponierte, mochte die kühne Partitur, die visionäre Klangwelten zur Darstellung äußerer, aber vor allem auch innerer, seelischer Konflikte erschloß, beinah therapeutische Wirkungen haben: Es war möglich, auch unter extremem Arbeitsdruck, ausgehend von den Mitteln der überlieferten italienischen Belcanto-Oper vollkommen neues Terrain zu erschließen. Shakespeares erbarmungslose Dramaturgie, die von Mord und Totschlag handelt und rundum kaum einen Lichtstrahl aus Menschlichkeit in den hermetisch abgeschlosssene Tragödienraum dringen läßt, ermöglicht kaum Anleihen bei der altgewohnten Opern-Dramaturgie. Eine herkömmliche »Liebesszene« gibt es in Macbeth nicht - und den großen Abschieds-Monolog des sterbenden Macbeth, mit dem die Oper ursprünglich endete, hat der Komponist in seiner Überarbeitung der Partitur für die Pariser Premiere im Jahr 1865 aus Gründen der dramaturgischen Glaubwürdigkeit gestrichen und durch eine Siegeshymne der Gegner Macbeths ersetzt. Daß die Baritone die Arie auch in Aufführungen der definitiven Endversion hereinreklamieren, führt zu einer Mischfassung, die in der Aufführungspraxis zwar gern verwendet wird. Den Monolog aber vor die Hymne zu setzen, widerspricht den Intentionen Verdis klar, hat er doch in seinem Macbeth in kühnen, jeweils aus der Situation geborenen musikalischen Mixturen, die klassische Zweiteilung in Rezitativ und Arie (bzw. Ensemble) aufgehoben und damit dem theatralischen Realismus ein musikalisches Äquivalent geschaffen, dessen er sich selbst in der Folge verstärkt bedienen sollte. Die Final-Arie mußte als letzte Konzession an althergebrachte Opernformen fallen.

Verdi vervollständigte damit in seiner Pariser Fassung die dramaturgischen Neuerungen, der er schon ursprünglich mit voller Absicht herbeigeführt hatte: Das Szenarium seiner ersten Shakespeare-Oper entwarf er selbst entworfen und bat seinen Librettisten Francesco Maria Piave, es als Vorlage für den Text zu vewenden.
Wenige Worte, wenige, aber bezeichnende Worte!
So lautete Verdis klare Anweisung. Immer wieder forderte er von Piave, der sich willig unterordnete, Änderungen. Auch die Uraufführung 1847 in Florenz überwachte der Komponist mit Argusaugen. Jedes Detail der szenische Ausstattung war ihm wichtig. Und unbarmherzig ging er mit den Sängern ins Gericht: Der bis dahin auf italienischen Bühnen sakrosankte Belcanto stand quer zu Verdis musikdramatischen Vorstellungen: Vielzitiert sind seine Worte an die Sängerin der Lady Macbeth, von der er gedeckte, erstickte, zum Teil allen Gesetzen des Schöngesangs widersprechende Klänge forderte. Dramatische Wahrhaftigkeit stand über allem. Daß der Komponist expressis verbis eine häßliche Stimme einforderte, wie immer wieder verallgemeinernd zitiert wird, ist allerdings ein Gerücht. Es ging ihm um die Ausweitung, die in Extreme getriebenen Möglichkeiten vokaler Gestaltungskunst.



↑DA CAPO