Stiffelio / Aroldo

Das Werk

Nur halbherzig hat Giuseppe Verdi seinen Stiffelio revidiert und zum Aroldo gemacht. Die Urfassung wurde von der Zensur und auch dem Publikum nicht akzeptiert, ging es doch um einen protestantischen Pastor, der seine Frau des Ehebruchs überführen kann. Dergleichen war in Italien um die Mitte des XIX. Jahrhunderts nicht auf die Bühne zu bringen. Zumindest mußte aus dem Pastor ein politischer Würdenträger werden. Ehefrauen von Gouverneuren traut man die Untreue eher zu als der Frau »Pastorin« . . .

Daß auch die erste Fassung nicht übermäßig dramatisch wirken muß, ewies der Versuch einer Wiederbelebung, 1996 an der Wiener Staatsoper mit José Carreras in der Titelpartie.

→ zur Premierenkritik

In der Zweitfassung wurde die Handlung zur Sicherheit aus dem XIX. Jahrhundert ins XIII. und aus Mitteleuropa nach Kent verlegt. Aus dem Priester Stiffelio wird der Ritter Aroldo, eben von einem Kreuzzug zurückgekehrt und aus dem durchaus pikanten szenischen Effekt - den der Agnostiker Verdi so liebte - daß der Pastor seiner untreuen Frau von der Kanzel aus coram publico vergibt, wurde ein textlich schablonenhaftse Opern-Finale klassischen Zuschnitts.
Dafür dürfen sich Verdianer über einen völlig neu konzipierten, zusätzlichen (vierten) Akt freuen, der einige hoch inspirierte Chormusik und eine mächtig aufrauschende Gewittermusik enthält. Sowohl das Terzett zwischen Aroldo, seiner Ehefrau und deren Vater als auch das Final-Quartett zeigen Verdi von seiner handwerklich besten Seite: Die Charakterisierung der einzelnen Figuren innerhalb der Ensembles ist meisterlich differenziert, ohne daß die Harmonie der Musik darunter leiden müßte.

Für den ersten Akt schuf Verdi einen mitreißenden Chor der Zecher - anstelle der Szene der gläubigen protestantischen Gemeinde; und eine heftig bewegte Arie für den Titelhelden sowie ein zündendes Finale, das die Bausteine aus dem Stiffelio quasi neu zusammensetzt.

→ DISKOGRAPHISCHE EMPFEHLUNGEN
zu den subjektiven Prinzipien

Stiffelio

Die Partien in der Reihenfolge:
Stiffelio - Lina - Stankar - Jorg - Raffaele - Dorotea - Federico

Nicht berauschend geriet die Einspielung des Stiffelio in der Serie der Verdi-Frühwerke bei Philips unter Lamberto Gardelli. José Carreras hat die Titelrolle zwar gern gesungen - und auch in der Erstaufführung an der Wiener Staatsoper in einer mäßig geglückten Premiere verkörpert. Aber die gesangstechnischen Leistungen seiner Schallplattenpartner sind eher von der rüden Art. Was an Feingefühl möglich wäre, verschwindet hinter theatrlischem Imponiergehabe.

Lamberto Gardelli - José Carreras, Sylvia Sass, Matteo Manuguerra, Wladimiro Ganzarolli, Ezio Di Cesare, Maria Venuti, Thomas Moser (Philips)

Nicht viel differenzierter klingt der Soundtrack eines Video-Livemitschnitts von der New Yorker Met mit Plácido Domingo in der Titelpartie.

James Levine - Plácido Domingo, Sharon Sweet, Vladimir Chernov, Paul Plishka, Peter Riberi, Margaret Lattimore, Charles Anthony (DG)

Aroldo

Die Partien in der Reihenfolge:
Aroldo - Briano - Mina - Egberto - Godvino - Enrico - Elena

Zwei Möglichkeiten hat der Verdi-Freund, die Zweitfassung dieses Werks kennenzulernen: Die Aufnahme Fabio Luisis ist weitaus besser dirigiert als jene unter Eve Quelers Leitung und hat mit Neil Shicoff einen Titelhelden, der durchaus die Seelenqualen und Doppelbödigkeiten hörbar machen kann, die Verdi mitschwingen läßt. Doch kann Carol Vaness, die ebenmäßig schön singt, ihrer Vorgängerin Montserrat Caballé in Sachen Legatokultur und farblicher Differenzierungskunst das Wasser nicht reichen. Dank dem fabelhaften Anthony Michaels-Moore bleibt dennoch die Philips-Aufnahme die insgesamt befriedigendere Lösung.

Fabio Luisi - Neil Shicoff, Roberto Scandiuzzi, Carol Vaness, Anthony Michaels-Moore, Julian Gavin, Sergio Spina, Marina Comparato (Florenz, 1997 - Philips)

Eve Queler -Gianfranco Cecchele, Louis Lebherz, Montserrat Caballé, Juan Pons, Vincenzo Manno, Paul Rogers, Mariana Busching (New York, 1979 - CBS)

↑DA CAPO

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