Symphonie Nr. 2

Kurt Weill (1933/34)

  • Sostenuto – Allegro molto
  • Largo
  • Allegro vivace – Presto

  • Inmitten dieser Symphonie steht ein Trauermarsch, dessen Thema sich am Ende des rasanten Final-Satzes in eine Art Totentanz im Tarantella-Rhythmus verwandelt. - - Wie denn auch anders, möchte man fragen, angesichts der Umstände der Entstehung des Werks.

    Weill hatte Skizzen für seine Zweite Symphonie um die Jahreswende 1932/33 in Berlin angefertigt, sie dann aber wegen der Entstehung der Sieben Todsünden (mit Bert Brecht) zurückgelegt. Als er sie wieder aufnahm, war in Deutschland bereits Hitler an der Macht - und Weill ging in die Emigration

    Von der umtriebigen Mäzenin, der Prinzessin Edmond de Polignac, bekam der Komponist in Paris den Auftrag zu einem neuen Orchesterwerk. In Louveciennes bei Paris schloß Weill die Partitur der dreisätzigen Symphonie ab.

    Die Uraufführung dirigierte niemand Geringerer als Bruno Walter in Amsterdam. Anläßlich der Aufführung durch das Concertgebouworchester im Oktober 1934 kam es im Concertgebouw auch zu antisemitischen Unmutsäußerungen.

    Walter nahm die Partitur auf eine längst geplante Amerika-Tournee mit und brachte die Symphonie zur Erstaufführung in New York. Kurz bevor auch er aus Wien emigrieren mußte, dirigierte er die Symphonie noch 1937 in einem philharmonischen Konzert im Musikverein.

    Anders als die zwar ebenfalls dreiteilige, aber in einem großen Satz gearbeitete, Erste Symphonie folgt die etwa ebenso lange (ca. 25') Zweite dem (vor)klassischen dreisätzigen Schema, wobei am Beginn ein klassisches Sonaten-Allegro steht, dem eine langsame Einleitung (Sostenuto) vorangeht, die mit einem kraftvollen Signal-Motiv in den Streichern beginnt, das sofort verarbeitet und als Begleitmotiv für ein Trompetenthema verwendet wird. - Das folgende Allegro ist unverwechselbar Weill, nimmt den Tonfall seiner frechen Chansons an. Der Komponist, dessen Erste Symphonie harmonisch durchaus noch von der harmonischen Freiheit der Wiener Schule geprägt ist, hat mit der Ausprägung eines unverwechselbaren Handschrift nicht nur zu den klassischen Formen, sondern auch zur Tonalität zurückgefunden. Die Musik des Allegros erhält aber durch insistierende Wiederholungen und den vorwärtstreibenden Gestus mehr und mehr verzweifelten Charakter. Erst knapp vor Schluß des ersten Satzes finden die immer wieder eingestreuten lyrischen Bläsermotive Gelegenheit, sich im Rahmen einer Erinnerung an die Introduktion ausführlicher zu entfalten. Doch behält die rastlose Bewegung des Hauptthemas zuletzt doch die Oberhand.

    Unter schweren Paukenschlägen hebt der Trauermarsch des Mittelsatzes - auch er getragen von einer gesanglichen, dem Chansonton Weills entsprechenden Tonfall. Das Geschehen ballt sich in bruchloser Steigerung zu einem emotionellen Höhepunkt, dem ein zart-verhaltener, stiller Klagegesang folgt, in den die schmerzvollen Orchesterschläge noch zweimal gnadenlose hereinbrechen, ehe der Satz resignativ verklingt.

    Von hektischer, nervöser (Flucht-)Bewegung ist der Beginn des Rondo-Finalsatzes gekennzeichnet, über weite Strecken in heimlichem Pianissimo gehalten, das nur zwischendurch immer wieder in heftige Aufwallung zu geraten scheint - eine etwas selbstvergessen-improvisatorische Streicherpassage und ein grotesker Marsch fungieren als gliedernde Episoden; zuletzt aber erklingt das Thema des Trauermarsches erneut, diesmal in Form einer alles mit sich reißenden Tarantella, die für einen virtuosen, aber keineswegs aufgehellten Symphonieschluß sorgt, in den noch einmal - wie aus weiter Ferne - das Trompetenthema aus der Introduktion der Symphonie hereinklingt.



    ↑DA CAPO