Kein Schatz im Silbersee

Anläßlich des Kurt Weill Festivals der Jeunesse kam 1995 auch die Oper »Silbersee« zu Ehren. Die freilich ist nur Interessenten zu empfehlen, die es ganz genau wissen wollen.

Daß das Festival genau im rechten Moment stattfindet, beweist die enorme Akzeptanz durch das Publikum. Es strömte auch ins Jugendstiltheater, um das 1933 entstandene »Wintermärchen« nach dem Text von Georg Kaiser zu erleben. Tatsächlich ist es Zeit für Weill: Die neuen Wege, die er beschritt, die Klangsprache, die er ohne Augenzwinkern, aber doch versöhnlich zwischen sogenannter »ernster« und sogenannter »unterhaltender« Musik formulierte, hat nach den Auswüchsen avantgardistischen Meinungsterrors von Seiten der »Schönbergianer« und »Adorniten« neue Aktualität gewonnen.

Die Repräsentanten der musikalischen Postmoderne können sich auch auf Kurt Weill als einen ihrer Väter beziehen. Zeit also auch für den »Silbersee"? Gewiß nicht. Das Werk war szenisch noch nie in Österreich zu sehen.

Es hat auch keineswegs die über seine Zeit hinausreichenden Qualitäten jener Stücke, die Weill mit Bert Brecht erarbeitet hat, nicht die populäre Theaterpranke der »Dreigroschenoper«, die so erfolgreich sein kann, weil das Publikum, wenn es keine Lust dazu hat, die »Sozialkritik« einfach übersehen und überhören kann, ohne daß das Stück jeden Sinn verlöre; auch nicht die Sogkraft des »Mahagonny«-Songspiels.

»Silbersee« ist, heute betrachtet, vielmehr das Dokument einer erstaunlich naiven Auffassung vom sozial engagierten Theater, wo der Hunger »begraben« wird und ein schießwütiger Polizist sich nach heftigen Gewissensbissen seines Opfers annimmt - obwohl er einen Lotteriegewinn macht und Geld doch bekanntlich jedermann endgültig verdirbt . . .

Bruno Berger hat das so platt, wie es im Buche steht, im Jugendstiltheater inszeniert. Die Darsteller, allen voran Ursula Fiedler, Günter Einbrodt und Ferdinand Plettenberg, tun eifrig mit - und lassen fühlen, daß auch eine »Schauspieloper« gesungen sein will.

Walter Kobera dirigiert mit viel Engagement und versucht das, was an Weills Musik zünden könnte, tatsächlich zur Explosion zu bringen. Es reicht in diesem Fall nicht aus, um einen Schatz im »Silbersee« zu finden.



↑DA CAPO