Der Sohn eines schweizerischen Kaufmanns, in Le Havre zur Welt gekommen, kam früh mit Musik in Berührung. Die Mutter hatte eine schöne Alt-Stimme, im elterlichen Haus wurde musiziert. Für diese Gelegenheiten komponierte der Teenager als Autodidakt seine ersten Klaviertrios. Skizzen machte er auch für Opern und Oratorien, er träumte davon, Opernkomponist zu werden, wie er in seinen Memoiren (Ich bin Komponist) erzählt.
Ab 1909 war Honegger Zögling des Zürcher Konservatoriums. Dort machte er so rasch Fortschritte, daß die Lehrer den Eltern nahelegten, ihren Sohn Musiker werden zu lassen.
Ab 1913 ließ sich Honegger in Paris nieder, studierte Violine, Dirigieren (bei d'Indy) und Komposition (unter anderem bei Widor).
Für befreundete Musiker entstanden erste Werke. Im Kreis um Erik Satie - Nouveaux Jeunes traf er auf Auric, Poulenc und Cocteau.
man gründete die Group Les Six und pflegte freundschaftlich-provokative Partnerschaften, ohne zu einem stilistisch einheitlichen Künstlerkreis zu verschmelzen.
Für Cocteaus Ballett-Revue Les Mariés de la Tour Eiffel komponierten aber alle Mitglieder der Gruppe Beiträge.
Honeggers erstes aufsehenerregendes Großprojekt war das auf einen Text von René Morax komponierte Oratorium König David, das 1921 für das Theater von Lausanne entstand.
Epochemachend war die kurze Tondichtung Pacific 231, die mit orchestralen Mitteln eine Zugfahrt schildert, vom langsamen, mühevollen Anlaufen der Maschine über die volle Fahrt zum Stopp im nächsten Bahnhof.
Die brillante Tour de Force wurde rasch berühmt und galt als kühner kompositorischer Akt, wenn auch Honegger später den illustrativen Anteil abzuschwächen versuchte und meinte, es wäre ihm weniger um Programm-Musik als um eine Studie in Sachen Temporelationen gegangen . . .
Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Honegger als Musikkritiker und Feuilletonist. Außerdem unterrichtete er. Nach 1945 hielt er regelmäßig Vorträge. Er erkrankte während einer Vortragsreise durch die USA an Angina pectoris. Davon hat er sich nicht mehr erholt - schuf aber in seinen letzten Lebensjahren noch eine Reihe bedeutender Kompositionen.
Über die Rolle des Komponisten im XX. Jahrhundert machte er sich keinerlei Illusionen:
Ein Komponist ist ein Mensch, der sich nach Leibeskräften bemüht, etwas hervorzubringen, wofür dann kein Mensch Verwendung hat.
»Jeanne d'Arc au bucher«
Ganz so düster war die Lage für Honegger denn doch nicht. Einige seiner fünf Symphonien und vor allem das Opern-Oratorium → Johanna auf dem Scheiterhaufen zählen zu den bedeutenden Stücken der gemäßigten Moderne um die Mitte des XX. Jahrhunderts und haben ihren Platz im Bewußtsein des Publikums und der Konzertveranstalter gefunden.
Die Symphonien
Honegger hat fünf Symphonien vorgelegt, von denen drei seine tief pessimistische Weltsicht widerspiegeln: Nr. 2, nur für Streicher gesetzt, entstand mitten im Zweiten Weltkrieg und gibt die dumpfe, resignative Stimmung jener Zeit wieder; mündet aber in ein wirbelndes Finale, über dessen Schlußtakten - nur hier kommt eine Solo-Trompete zum Einsatz - ein zuversichtliches Choralthema schwebt.
Die Dritte, (»Symphonie liturgique«) entstand unmittelbar nach Ende des Krieges, 1945, und reagiert mit einem verzweifelten Aufschrei auf das Morden - mündet aber in ein ruhig-zuversichtliches Schluß-Tableau.
Die Vierte, für Paul Sachers Kammerorchester Basel entstanden, bildet ein vergleichsweise freundliches Intermezzo in Honeggers symphonischem Werk und nennt sich denn auch Deliciae Basilienses.
In der Fünften (»Di tre re«) kehren die Schreckensszenarien wieder: Diesmal enden alle drei Sätze der Symphonie ausweglos auf einem einsamen tiefen D in Kontrabässen und Pauke.