Romeo und JUlia
Boris Blacher
(1943/44)
Eine Kammeroper, die in schweren Zeiten leicht aufführbar sein sollte, bestellte die Wiener Universal Edition bei Boris Blacher. Das Vorbild, Igor Strawinskys Geschichte vom Soldaten, war damals »unerwünscht«, doch hatte Blacher dieses Werk gewiß im Kopf, als er begann, seinen eigenen Text nach Shakespeares Romeo und Julia zu vertonen: Wie bei Strawinsky, der sein Stück unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg herausbrachte, sollte auch Blachers Werk von Wandertruppen auffgeführt werden können.
Nach dem Vorbild der - damals ebenfalls verbotenen - Stücke Bert Brechts und Kurt Weills vermeidet Blacher jegliche Gefühlsaufwallung. Die Handlung wird schmucklos erzählt, eine vom Klavier begleitete Diseuse führt - wie im Kabarett - durch die Geschichte. Neun Musiker bilden das »Orchester« Ein kleiner Madrigalchor sorgt für die Stimmungshintergründe und die Kommentare - und darf aus seinen Reihen auch fünf der acht Solopartien besetzen. Die Aufführungsmöglichkeiten sollten so fantasievoll und abwechslungsreich wie möglich sein: Entsprechend nennt Blacher sein Werk auch »Kammeroratorium« (op. 22) und nennt sogar die Möglichkeit, die Handlung auch als Ballett darstellen zu lassen.
Die Reduktion der Mittel nützte nichts. Während des »Dritten Reichs« kam es zu keiner einzigen Aufführung von Romeo und Julia.
Erst 1947 ließ die Berliner Rundfunkanstalt RIAS das Stück durch ihren Kammerchor in einer Schule in Berlin-Zehlendorf konzertant uraufführen. Eine weitere Aufführung folgte in New York, 1949. Doch erste in einer überarbeiteten Version - reduziert um drei Kabarett-Gesänge - kam Romeo und Julia - nunmehr als »Kammeroper in drei Teilen« auf Betreiben Gottfried von Einems im August 1950 zur szenischen Premiere - als »Nachprogramm« zur österreichischen Erstaufführung von Benjamin Brittens Rape of Lucretia.
Caspar Neher hatte die Ausstattung entworfen, Mitglieder des Wiener Staatsopernballetts tanzten zu Erika Hankas Choreographie, Josef Krips dirigierte Mitglieder der Wiener Philharmoniker und des Staatsopernchors. Als Solisten waren Richard Holm (Romeo), Hilde Gueden (Julia), Hermann Uhde (Capulet) und Kurt Böhme (Benvolio) zu erleben. Der Rundfunkmitschnitt dieser Aufführung liegt auf CD vor.