Streichquartett Nr. 5

B-Dur, op. 92

Allegro non troppo
Andante - Andantino
Moderato - Allegretto - Andante


Das etwa halbstündige B-Dur-Quartett ist in drei Sätze gegliedert, die jedoch pausenlos ineinander übergehen. Schostakowitsch übertragt in diesem Werk seinen monumental-expressiven symphonischen Stil - kurz vor Beginn der Arbeit an der Zehnten - ins kammermusikalisch-Introvertierte.

Die Ausdrucksvielfalt nimmt er im intimen Genre jedoch nicht zurück.
Im Gegenteil.

I.
Das Quartett hebt in einem Unschuldston an, als ginge es darum, die Formbeherrschung durch eine Anleihe bei den Wiener Klassikern zu demonstrieren. Doch schon nach wenigen Takte kontert ein kräftig dreinfahrenden Fortissimo dem scheinbar klassizistischen Ton und öffnet so den dramatischen Dialog, der Inhalte jenseits klassischer Formmuster suggeriert: Der Widerstreit der Gefühle, der auf diese Weise exponiert wird, beherrscht das gesamte Werk. Er sichert ihm seine originelle, ja einzigartige Form.

Im ersten Satz führt er zu einem stillen, geheimnisvoll spannungsgeladenen Ende - die Solovioline schwebt über den Pizzicati der übrigen Instrumente; doch der Hörer wartet jeden Moment auf eine neue, vielleicht beängstigende Wende.

II.
Aber die Musik führt uns in die meditative Welt des Mittelsatzes, deren introvertiert-versonnenes kontrapunktisches Spiel in ätherische Selbstvergessenheit entschwebt. Hier regieren einsame melodische Monologe, behutsam eingestreute Dur- und Moll-Akkorde. Aus dieser Atmsorphäre wächst unvermittelt der Schlußsatz heraus. Der Übergang geschieht ganz unmerklich. Die (innere und äußere) Bewegung steigert sich langsam.

III.
Der scheinbar spielerische Gestus des Quartettbeginns wird wieder aufgenommen, vorangetrieben von lebhaften Rhythmen. Das Hauptthema bildet sich sukzessive über einer angedeuteten Walzerbegleitung heraus. Doch kehren die versonnenen, gedämpften Klänge des Mittelsatzes wieder. Die Ebenen überlagern sich. Das frech walzernde Thema provoziert eine Konflikt-Situation, die sich bedrohlich zuspitzt, um sich zuletzt doch in friedliche Klangfelder aufzulösen.

Das Artemis-Quartett hat in seiner - auf der CD mit einer kraftvollen Wiedergabe des Klavierquintetts mit Elisabeth Leonskaja gekoppelten - Aufnahme den rechten Ton für dieses Werk gefunden: Man balanciert in den Ecksätzen auf einem Seil, ständig absturzgefährdet - und auch während der ruhigen Passgen herrscht eine Hochspannung, als wäre die Szene ständig bedrohlich überschattet. (Erato/Warner)


Schostakowitschs Streichquartette


↑DA CAPO