Symphonie Nr. 14

Dmitri Schostakowitschs spätes Credo: Nichts, gar nichts haben wir Menschen nach dem Tod zu erwarten. Die 14. und vorletzte Symphonie wurde zu einer Art nihilistischem »Requiem«, eine Betrachtung von Tod und Verklärung in Form einer Liederfolge, gesungen von Sopran und Bariton zur Begleitung eines auf Streicher und Schlagwerk beschränkten Kammerorchesters.

Das Werk ist Benjamin Britte gewidmet und entstand großteils während eines Krankenhaus-Aufenthalts zu Jahresbeginn 1969.

Die Gedichte stammen vor allem von Guillaume Apollinaire und beschreiben die unterschiedlichsten Facetten der Todesbetrachtung.

Grabesruhe. Innere Monologe wie jener des Gefangenen in der Santé, Paraphrasen auf romantische Poesie wie Brentanos Loreley, anklagende politische Statements wie jene, die Federico Garcia Lorca während des Tobens des Spanischen Bürgerkriegs verfasste und die von der Grabesruhe erzählen, die inmitten aller Qualen jäh eintreten kann - Schostakowitschs Musik beschreibt immer wieder die Einsamkeit dieses Gedankens, in fast unbegleiteten Gesangslinien oder Instrumentalrezitativen, deren innere Dramatik freilich hie und da von der Zentrifugalkraft eines unausweichlichen Espressivos geballt nach außen geschleudert wird.

Die Singstimmen müssen für die oft über weite Strecken gezogenen Lamenti über fahle, geisterhafte Zwischentöne verfügen und sind auch im tieferen Register gefordert.

Das Orchester muß illustrtive Details theatralisch aufbauschen - etwa die kalten Pizzicati, mit denen die Zeit im Gefängnis erbarmungslos langsame verrinnt.

Einmal schwebt das alte Dies irae in allerhöchsten Violintönen über dem Geschehen, völlig irreal: Nicht einmal an ein Jüngstes Gericht will Schostakowitsch glauben. Er bekannte in einem Kommentar über sein Spätwerk:

Der Tod ist kein Anfang, er ist das absolute Ende. Es wird nichts weiter geben. Nichts.

Selbst der Widmungsträger Britten hätte in seinem War Requiem allzusehr die religiöse Seite der Todesbetrachtung betont, fand Schostakowitsch. Er benannte einen Zeugen für seine Gedanken: Modest Mussorgsky. dessen Tod als Feldmarschall aus den Liedern und Tänzen des Todes war das direkte Vorbild für Schostakowitschs symphonische »Liedersammlung«.

Bruch mit Solschenizyn

Die nihilistische Haltung, die der Komponist in desem bekenntnishaften Werk zur Schau trug, sorgte für eine Entzweiung zwischen ihm und dem Dichter Alexander Solschenizyn. Schostakowitsch weigerte sich beharrlich, Aufrufe der russischen Dissidenten zu unterzeichnen - eine Unterredung zwischen den beiden großen Männern verlief wenig fruchtbar - der tief gläubige Solschenizyn war an atheistischen Betrachtungen über den Tod nicht interessiert und verabscheute auch Schostakowitschs introvertierte, im Grund a-politische Haltung.

Uraufführung

Für die Aufführung hatte der Komponist von Anfang an Rudolf Barschai und dessen Moskauer Kammerorchester ausersehen. Die Solisten der Premiere im September 1969 in Leningrad waren Galina Wischnewksaja und Jewgenij Wladimirow. Die Sopranistin berichtete in ihren Ernnerungen von 60 Einzelproben, die dieser Premiere vorangegangen waren. Eine Voraufführung vor geladenem Publikum mit Wladimirow und Margarita Miroschnikowa hatte bereits im Juni im Moskauer Konservatorium stattgefunden.

Die Texte in der Original-Partitur sind alle auf Russisch. Für eine Aufführung, in der Dietrich Fischer-Dieskau den männlichen Part sang, autorisierte Schostakowitsch eine Fassung, in der sämtliche Texte in den Originalsprachen gesungen werden konnten (lediglich Küchelbeckers An Delwig war ein russisches Gedicht.

Um Rilkes Tod des Dichters deklamatorisch korrekt ausführen zu lassen, veränderte Schostakowitsch im 10. Satz für eine Aufführung in deutscher Sorache sogar die Melodieführung der Singstimme.




Mit seiner → Fünfzehnte Symphonie, ...

↑DA CAPO