Symphonie Nr. 15 op. 141

A-Dur (1971)

Schostakowitschs letzte Symphonie entstand 1971 auf seinem Sommerrefugium in Repino. Sie kam unter der Leitung seines Sohnes Maxim 1972 zur Uraufführung.
Nachdem Schostakowitsch zuletzt zur Einbindung von Singstimmen gegriffen hatte, um den Gehalt seiner Symphonien zu verdeutliche, schrieb er als Abschluß seines symphonischen Vermächtnisses wieder eine reine, viersätzige Instrumentalsymphonie. Doch der Schein trügt: Auch hier liegt ganz offenkundig eine programmatische Idee zugrunde, die allerdings mangels Worten verschüsselt bleibt. Daß der Großmeister der russischen Symphonie zuletzt auf die berühmte Galoppade aus Rossinis Wilhelm Tell-Ouvertüre zurückgreift und gegen Ende seines Werks mit der Todesverkündigung aus der »Walküre« und Ausschnitten aus Tristan und Isolde ausgiebig Richard Wagner zitiert, bleibt eines der Rätsel der Musikgeschichte. Auch der Trauermarsch, der im zweiten Satz der Symphonie anklingt, könnte von der Götterdämmerung inspiriert sein.

Musikdramatisches Pathos ist der Musik dieser Symphonie allerdings jenseits dieser Anklänge über weite Strecken fremd.

So wenig Schostakowitsch über den »Inhalt« dieser Symphonie verraten hat, so deutlich war seine Aussage gegenüber einem Journaisten, wie bedeutend die Aussge der Symphonie für ihn persönlich war:

Ich schrieb sie im Krankenhaus und auf meiner Datscha. Sie ließ mir keine Ruhe. Das Werk hat mich einfach mit sich gerissen. Es war eines meiner wenigen, über die ich mir vom ersten Moment an völlig im karen gewesen bin. Es mußte lediglich aufgeschrieben werden.

Allegretto

Adagio - Largo

Allegretto

Adagio - Allegretto

Zunächst beginnt Nr 15 fast kammermusikalisch, lebhaft, vergleichsweise optimistisch und jedenfalls ohne hintergründig-expressive Gesten. Das Adagio aber, kontrastierend zwischen einem tonal gehaltenen Choral und einem zwölftönigen Thema des Cellos, ist voll von Resignation, ja Todessucht, eine Stimmung, die Schostakowitsch für ausweglos hielt, wie man aus den textlich unmißverständlichen entsprechenden Passagen der Vierzehnten Symphonie weiß.

Diese Haltung brachte ihm Kritik von Seiten des tief gläubigen Nobelpreisträgers Alexander Solschenizyns ein, der den nihilistisch-atheistischen Ton in Schostakowitschs musikalischen Bekenntnissen nicht widerspruchslos akzeptieren wollte . . .

Das riesenhafte Adagio realtiviert nicht nur den vergleichsweise kurzen, in der Rückschau fast parodistisch wirkenden Kopfsatz, sondern vora allem das folgede Scherzo, so kurz und prägnant wie sonst nirgendwo bei diesem Komponisten, wird von der Wucht des Adagio-Satzes beinah erdrückt. Ausführlicher geriet dann das rhythmisch komplexe, vor allem im Ausklang von Schlageugklängen geprägte Finale. Es findet aus poetischen, ein wenig wesenlos in sich kreisenden Stimmungwelten über eine kraftvolle Passacaglia über ein aus allen zwölf Tönen der chromatischen Skala gebildeten Baßthema, das rhythmisch sehr an das Invasionsthema aus dem ersten Satz der Siebenten Symphonie erinnert - bis hin zu einem Ausklang in sanften Pathos, der uns in rätselhaft entrückte Sphären zu führen scheint. Zitiert werden nicht nur Rossini oder Wagner sondern auch Meister Bach mittels seines tönenden Monogramms: B-A-C-H. Gegenüber seinem Biographen Krzysztof Meyer sprach Schostakowitsch auch von Beethoven-Zitaten, die allerdings noch niemand ausfindig machen konnte. Und nicht erst Meyer rätselte über die in der Symphonie immer wieder auftretende Abfolge von zwei sechstönigen Akkorden, die zusammengenommen einen Zwölftonklang ergeben.

Nicht mehr von dieser Welt scheint jedenfalls die schwebende leere Streicherquint am Ende der Symphonie. Wohin sie entschweben könnte, bleibt offen.





DIE SYMPHONIEN

↑DA CAPO