Symphonie Nr. 5

Die Uraufführung der Fünften Symphonie wurde zu einer wichtigen Bewährungsprobe für den Komponisten. Die Anwürfe gegen ihn waren nicht vergessen, ebensowenig die mehr oder weniger freiwillige Rücknahme der Vierten vor der Uraufführung.

Für die sowjetische Öffentlichkeit hatte Schostakowitsch als Symphoniker bis dahin als Teenager die grandiose Talentprobe der Ersten Symphonie vorgelegt - und danach zwei eindeutig programmatisch gebundene, tönende Ergebnheitsadressen an den kommunistischen Staat herausgebracht.

In diesern Symphonien Nr. 2 und 3 übertünchten die agitatorischen Schlußchöre jeweils, daß der Komponist durchaus jenseits von Partei-Parolen Aussagen zu machen hatte.

Die Verdikte der sowjetischen Kulturwächter aber hatten eine freie künstlerische Äußerung unterbunden - für Schostakowitsch stellte sich das Problem, den Vorgaben der Partei, volksnahe Ausdrucksformen zu suchen, mit seinen eigenen künstlerischen Vorstellungen verbinden zu müssen, wenn er nicht nur für die Schublade schreiben wollte.

Die Partitur der Fünftenstelllt nun seinen ersten Versuch dar, diese Quadratur des musikalischen Kreises zu bewältigen.

Das Unternehmen gelang so erfolgreich, daß diese Symphonie zu einer der meistgespielten Symphonien des XX. Jahrhunderts wurde - in Rußland, aber auch weltweit. Von allen 15 Symphonien dieses Komponisten ist sie - in traditioneller Viersätzigkeit angelegt, aber voll von spürbar subjektiven, expressiven Aussagen - bis heute die meistgespielte geblieben.

Typisch für Schostakowitschs Verschlossenheit und mißtrauische Verschwiegenheit waren die Erstbegegnungen mit dem 36-jährigen Uraufführungs-Dirigenten Jegenij Mrawinski, der nach dem erzwungenen Ausscheiden Fritz Stiedrys die Leitung der Philharmonie übernommen hatte, zu einem von Schostakowitschs wichtigsten Interpreten - und über weite Strecken zu einem wirklich Freund und Mitestreiter - werden sollte. Bei den Vorbereitungsarbeiten zur Uraufführung der Fünften Symphonie begegneten die beiden einander zum ersten Mal.

Mrawinsky berichtete später:

Zunächst konnte ich von ihm nichts erfahren. Nicht einmal die Tempi. Da fiel mir folgende List ein. Bei der gemeinsamen Arbeit wählte ich absichtlich ein falsches Tempo. Dmitri Dmitrijewitsch unterbrach uns erregt und zeigte selbst das richtige Tempo. Bald jedoch erkannte er meine Taktitk und begann mir endlich seine Überlegungen mitzuteilen.

Es scheint sehr wahrscheinlich, daß auf dieser Geschichte die später kolportierte Äußerung Schostakowitschs beruhte, Mrawinsky hätte für seine Symphonien falsche Tempi gewählt. Bei der Diskussion der Hintergründe zur Fünften Symphonie ist oft die Frage des Finales und des richtigen Tempos für den Symphonie-Schluß diskutiert worden. Die Bemerkung, der scheinbar positiv-optimistische D-Dur-Schluß sei unter dem Kontext zu betrachten, daß jemand gezwungen werde, Fröhlichkeit zu äußern, ließ Zweifel an Mrawinskys zügigem Final-Tempo aufkommen. Andererseits ist schwer vorstellbar, daß der Dirigent von der Uraufführung an ein falsches Tempo gewählt haben könnte, obwohl er während der Proben unter Schostakowitschs Aufsicht stand. Diesbezügliche Fragwürdigkeiten gehören zu den Problemen, mit denen sich die Aufführungspraxis in alle Zukunft herumschlagen wird müssen. Eine eindeutige Aussage Schostakowitschs haben die Zeitläufte verhindert.

Marawinsky aber war bereits nach der Uraufführung überzeugt:

Schostakowitschs Symphonie Nr. 5 ist das herovrragendste Werk der letzten zwanzig Jahre. Meiner Meinung nach hat die Symphonie Weltgeltung.


Sicher ist, daß für Schostakowitsch die Zeit des Suchens nach stilistischem Halt vorbei war: Mit der Fünften hatte er, wenn auch teils genötigt, einen geklärten Stil gefunden, wie er sich zuvor erstmals in kammermusikalischen Werken, vor allem in der Cellosonate und im Klavierquintett manifestiert hatte.

Mit seiner → Sechsten Symphonie, ...

↑DA CAPO