Sergej Rachmaninow

1873 - 1943

Der Pianist Oleg Maisenberg zeichnete im Vorfeld seines Wiener Rachmaninow-Zyklus im Jahr 2005 ein differenziertes Bild eines im Westen sträflich unterschätzten Komponisten.

Mir ist es wichtig, einmal alle Rachmaninow-Konzerte in dieser Stadt vorzustellen, der ich alles verdanke. Ich weiß, dass man hierzulande nicht alles von Rachmaninow schätzt, dass man manches als Kitsch bezeichnet, vieles aber gar nicht kennt.

Die wahre russische Seele

Bemerkenswert ist, daß Rachmaninows Musik in der russischen Heimat des Komponisten einen völlig anderen Stellenwert genießt als im Westen:

Ich kenne keinen einzigen russischen Musiker, der schlecht von Rachmaninow spricht, für den seine Musik auch nur zweifelhaft wäre.
Man diskutiert in Russland viel eher über Tschaikowsky, über den westlichen Einfluss, den man in seiner Musik doch viel eher spürt als bei Rachmaninow. Bei ihm gibt es für einen Russen keinen Zweifel: Diese Musik spiegelt so sehr die russische Seele, sie ist vielleicht die natürlichste russische Musik, die man sich denken kann.

Zwischen Romantik und Moderne

Über Rachmaninows Stellung in der Musikgeschichte - zwischen Romantik und Moderne:

Rachmaninow ist seiner harmonischen Sprache treu geblieben. Natürlich hat er Neues ausprobiert. Er ist 1917 aus seiner Heimat emigriert und nie zurückgekommen. Je länger und düsterer sein Leben wurde, umso mehr hat er auch musikalisch experimentiert, aber seine Musiksprache ist immer natürlich geblieben, anders als, sagen wir, bei Strawinsky oder Prokofieff. Rachmaninows Seele war lupenrein. Es ist ein Jammer, dass man seiner Musik im Westen immer den Hollywood-Anstrich gibt.

Der Kitsch- und »Filmmusik-«Vorwurf wurde auch dem Symphoniker Rachmaninow gemacht, vor allem der erfolgreichsten seiner drei Symphonien, der Nr. 2, die als einzige hin und wieder in den Programmen auftaucht.
Tatsächlich ist die Kritik so wenig angebracht wie im Falle von Erich W. Korngold, über dessen Werk es gern heißt, es klinge »wie Filmmusik«, obwohl es gerade umgekehrt ist: Filmmusik klingt wie Korngold.

Das selbe gilt naturgemäß von Rachmaninows Musik, die großteils vor Erfindung des Kinos entstanden ist . . .

Ein SINKOPHON über die kaum bekannten Symphonien Nr. 1 und Nr. 3 läßt vielleicht aufhorchen:



Hörtipp: Die Gesamtaufnahme mit den Berliner Philharmonikern unter Lorin Maazel - frei von jeglicher Rührseligkeit, klar strukturiert, aber mit aller Klangsinnlichkeit, die russische Spätromantik braucht.


So ernsthaft wie die Bemühungen um formale Rundung und thematischen Zusammenhang in den Symphonien gelang auch die Balance zwischen Form und Inhalt in den Tondichtungen, allen voran in der packenden, von Böcklins Gemälde inspirierten Toteninsel.

↑DA CAPO