Alles für das Ohr, das Falsche für das Auge

Pfitzners »Palestrina« an der Staatsoper

25. Mai 1999

Hans Pfitzners »Palestrina« kehrte musikalisch erstklassig, szenisch aber jeglichen Zaubers beraubt in die Wiener Staatsoper zurück. Das bedeutende Werk gehört auf den Spielplan, soviel stand wohl für alle Zuschauer nach der Premiere wieder fest.

Das Unangenehme zuerst: Herbert Wernicke war als Bühnen- und Kostümbildner, Lichtgestalter und Regisseur auf dem Programmzettel genannt. Er hat in beinahe allen Disziplinen keine nennenswerte Leistung erbracht. Das Bühnenbild, ein moderner Konzertsaal mit Orgelprospekt, ist einfallslos und steril, die Kostüme sind entweder die vorgeschriebenen Bischofs- oder Kardinalsgewänder oder heutigen Designermodellen nachempfunden, ohne besonders charakteristisch für die jeweilige Person zu wirken. Dem entspricht die Personenführung, die dort ihre Tiefpunkte erreicht, wo Pfitzners Drama ans Metaphysische rührt.

Der falsche Regisseur

Für Visionen, Erscheinungen und sonstige übersinnliche Dinge hat Wernicke offenkundig keine Ader. Warum er dann »Palestrina«, ein Werk, das in Wahrheit von nichts anderem handelt, inszeniert, bleibt ein Rätsel. Da sich die Komödiantik des Mittelaktes wie von selber inszeniert, gibt es keine Ausrede: Die eigentliche Botschaft Pfitzners, das Künstlerdrama, findet in dieser Produktion nicht statt; zumindest nicht optisch. Wenn die neun Meister und die Engel im ersten Aufzug eintreten wie Choristen vor einer Oratorienaufführung, dann ist die Desillusionierung, die mit dem Bühnenbild beginnt, perfekt. Die Aufführung wird zum Konzert.

Das ist vielleicht auch besser so. Peinlichkeiten wie die, daß etwa die große Auseinandersetzung zwischen Palestrina und dem Kardinal im ersten Akt nicht bewältigt wird, weil weder auf äußere Form noch auf glaubwürdigen Dialog Wert gelegt wurde, lassen die statische Oratorienform sogar als wünschenswert erscheinen.

Das Wiener Publikum nahm die Herausforderung an und genoß, wie der Applaus lehrt, die Musik und ihre Ausführung, ohne die Ungereimtheiten der sogenannten Regie eines weiteren Diskurses zu würdige.

Thomas Moser ist der für Wien neue Palestrina, ein Mann in den besten Jahren, der um die stille Verzweiflungsgeste Pfitzners weiß, aber auch kraftvolle Register zu ziehen weiß. Franz Grundheber gibt den Widerpart Carlo Borromeo, von der Inszenierung beinahe um jegliche Würde gebracht, aber stimmlich prägnant und zuletzt sogar von vokaler Größe. Grandios Bernd Weikls Morone, der mühelos zur Zentralfigur im Konzilsakt wird, den zunächst Heinz Zednik beherrscht: Sein Novagerio ist von sensationeller Durchbildung; schon seit Jahren.

Edel sind die beiden Hosenrollen besetzt: Juliane Banse ist der energiegeladene, springlebendige Ighino, Angelika Kirchschlager, prachtvoll bei Stimme, verströmt eitel Wohlklang als Silla. In den kleineren Partien erweist sich, daß die Staatsoper über ein typenstarkes Ensemble verfügt. Und im Orchestergraben regiert eine natürliche Klangschönheit, die wohl vor allem daraus resultiert, daß die Philharmoniker wie viele im Auditorium froh sind, ein hierzulande so traditionsreiches Werk wieder gewonnen zu haben.

Inniges Streicher-Duett

Peter Schneider waltete als korrekter Koordinator am Pult _ gewiß ließen sich manche Stellen inspirierter, mit größerem Atem ausmusizieren, aber die Musiker hatten reichlich Gelegenheit, herrlich zu spielen. Nicht zuletzt das innige Duett zwischen Konzertmeister Rainer Küchl und Solocellist Franz Bartolomey im Finale wird mir, glaube ich, noch lange in Erinnerung bleiben. Der Applaus zuletzt klang nach einem Ereignis _ musikalisch hatte ja auch wirklich eine sehr gute Vorstellung stattgefunden, weil die Ausführungen Hans Pfitzners Vorschriften zu erfüllen versuchten. Ob wieder einmal Zeiten kommen, in denen man den Inhalt, den Gehalt einer großen romantischen Oper auch optisch wieder umzusetzen wagt?

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