Die Rose vom Liebesgarten
Hans Pfitzners umstrittenes Opern-Märchen
Repertoire-Auffrischung in der Zürcher Oper 1999: Franz Welser-Möst brach eine Lanze für die vergessene Pfitzner-Oper "Die Rose vom Liebesgarten" -- aber Regisseur David Pountney wollte nicht wahrhaben, was der Komponist wollte.
Mit der Wiederbelebung von halb vergessenen Opernraritäten ist das so eine Sache: Wurden sie von den brutalen Restriktionen der Kulturpolitik des Dritten Reichs als "entartet" aus dem Bewußtsein verdrängt, dann jubelt sich's leicht über wiedergewonnene spätromantische Klangbäder à la Schreker, Zemlinsky oder Korngold. Stammt das Werk von Hans Pfitzner, dann gelten andere Gesetze. Denn Pfitzner, wiewohl auch er es zwischen 1933 und 1945 nicht leicht gehabt hat, gilt _ in gewisser Hinsicht mit Recht _ als entschiedener Parteigänger wenn schon nicht Hitlers, so doch des Hangs zur Deutschtümelei und des Herrenmenschen-Denkens.
Wenn nun eine Oper wie "Die Rose vom Liebesgarten" neu zur Diskussion gestellt wird, dann wird es doppelt haarig, denn dieser Liebesgarten ist nichts anderes als eine germanische Variante des Paradieses, in dem es von hehren Helden nur so wimmelt, und der von einer halb christlich, halb heidnischen Frühlingsgottheit beherrscht wird. Eine gefährliche Mischung, offenbar, denn einen symbolischen Idealzustand auf die Bühne zu bringen, die Vision von einer ganz und gar heilen Welt, in die verschiedene Personen der Handlung nur nach schwerer Prüfung und Selbstüberwindung Einlaß finden.
David Pountney verwandelt diesen Liebesgarten in eine Art deutsches Pantheon, in dem neben Goethe und Wagner natürlich auch Adolf Hitler selig weiterlebt _ und eine Karotte essen darf. Spöttischer kann man die ätherischen D-Dur-Klänge Pfitzners nicht konterkarieren. Aber heutzutage muß offenbar auch ein Stück auf diese Weise "hinterfragt" werden, das dreieinhalb Jahrzehnte vor Hitlers Machtergreifung komponiert wurde. Die "Wegbereiter" sollen da geortet werden.
Am Schluß, wo sich alles in märchenhafter Weise in paradiesische Zustände auflösen sollte, bleibt vom in Marmor gemeißelten Wagner-Motto "uns bliebe gleich, die Heilige Deutsche Kunst" nur noch "eich", "eilige" und "utsche" übrig. Das wär' ja noch schöner. Was dabei zunichte gemacht wird ist Pfitzners Musik, deren Jugendstil-Idealismus man vielleicht lieber gar nicht anrühren sollte, bevor man ihn so ins Lächerliche zieht.
Aber vielleicht braucht, um auch einen österreichischen Kanzler zu zitieren, nach 1933 wirklich einen Arzt, wer noch Visionen hat. Die Zürcher Orchestermusiker hätten sie noch, denn unter Franz Welser-Möst stürzen sie sich mit Feuereifer in die oft traumhaft schwebenden Klangabenteuer dieser Partitur, die ungestört zu genießen ein Fest sein könnte.
Tristans Zukunftsvisionen
>Pfitzner ergeht sich viel weniger in Wagner-Epigonentum als sein Textdichter James Grun, erfindet vielmehr etliche kühne orchestrale Visionen, die erstaunliche Vorechos ergeben: Alles, was hier scheinbar anklingt, von Richard Strauss'schen Finessen, Korngold'schen Harmonien, von Mahlers Achter und Schönbergs "Gurreliedern" ist ausnahmslos später entstanden _ und von allen diesen Meistern darf angenommen werden, daß sie die Partitur der "Rose vom Liebesgarten" gekannt haben.
Nicht von ungefähr konnte sich ein Bruno Walter für dieses Werk restlos begeistern und sogar den anfangs skeptischen Operndirektor Mahler überzeugen. Was hier an "Waldweben", tropfenden und blinkenden Naturlauten, aber auch an ekstatischen Seelenklängen zu hören ist, war um 1900 kühn und zukunftsweisend und kann, so hinreißend gespielt wie in Zürich unter Möst, auch heute noch begeistern _ wenn auch als Manko anzumerken ist, daß Pfitzner der eine große, erlösende melodische Einfall versagt geblieben ist. In der Schlichtheit mancher liedhafter Gesänge findet er freilich auch jenseits der phänomenalen Klangzauberei zu bewegenden Momenten.
Aus dem Zürcher Ensemble, in dem sich Francisco Araiza wacker um die Heldenpartie des Siegnot müht, ragt Stephanie Friede mit wunderbar aufblühendem Sopran als Minneleide heraus. Problematisch an dieser Aufführung nur der Chor, der doch allzu inhomogen tönt. Der Rest wäre eine klare Absichtserklärung für ein vielleicht nicht grandioses, aber jedenfalls hörenswertes Werk; aber die Regie wollte unbedingt einen höchst subjektiven Kommentar zu ganz anderen Dingen abgeben.