JEUX
Die Szene ist ein Garten in der Abenddämmerung; ein Tennisball ist verloren gegangen; Ein junger Mann und zwei Mädchen suchen nach ihm. Das künstliche Licht der großen elektrischen Lampen gibt fantastische Strahlen über sie ab und reizt zu kindlichen Spielen: Sie spielen Verstecken, versuchen sich gegenseitig zu fangen, streiten, sie schmollen ohne Grund. Die Nacht ist warm, der Himmel in blasses Licht getaucht; sie umarmen einander. Doch der Zauber wird durch einen weiteren Tennisball gebrochen, der schelmisch von unbekannter Hand hineingeworfen wird. Überrascht und erschrocken fliehen die drei jungen Menschen in den nächtlicher Tiefe des Gartens.So lautete das Szenarium, das die Besucher der Uraufführung von Claude Debussys kurzer, aparter Ballett-Komposition für die Compagnie Serge Diaghilevs zu lesen bekamen. Es weicht erheblich von den urspürnglichen Plänen ab.
Nijinskys Plänte
Das Ballett geht zurück auf einen Plan, den Vaslav Nijinsky bei einem Mittagessen im Savoy Hotel in London entworfen hatte. In seinem Szenarium sollten eigentlich drei männliche Liebhaber agieren und am Höhepunkt der Handlung sollte im Hintergrund ein Flugzeug abstürzen...Wirkungsgeschichte
Debussys originelle, im tiesten Sinne »moderne« Partitur hatte buchstäblich Pech. Die Uraufführung fand in Paris kurz vor der legendären Premiere von Igor Strawinskys Sacre du printemps statt. Gegen die brachialen Tabubrüche dieses Werks hatte die sanfte, formal gesehen aber nicht minder radikale musikalische Revolution Debussys keine Chance. Jeux verschwand aus dem Bewußtsein der Musikwelt und ist dort nie wieder ganz aufgetaucht, wenn die Partitur auch Kenner erfreut und Dirigenten vom Format eines Pierre Boulez stets gereizt hat.Aufmerksamkeit in der Fachwelt erregte immerhin die allererste Schallplatten-Aufnahme, die - noch in der Schellack-Ära - Victor de Sabata mit dem Orchestser der römischen Akademie Santa Cecilia gemacht hat, eine minutiöse Ausleuchtung der kleinteilig differenzierten Partitur, die bis heute nicht Ihresgleichen gefunden hat, zumal es de Sabata gelingt, neben der klaren Struktur der vielfach gebrochenen, vielschichtigen musikalischen Architektur auch deren leidenschaftlich-ausdrucksvolle Elemente mitschwingen zu lassen. Die Aufnahme ist, liebevoll restauriert, dank der Initiative des Labels Pristine wieder greifbar und präsentiert sich in erfreudlich frischem Zustand.
DA CAPO