Hugo Wolf ist einer der großen Unbekannten unter den berühmten Komponisten der österreichischen Romantik.
Auf ihn vergißt die Festtagsmaschinerie, wie auch das Musikleben das Schaffen des 1860 in Windischgraz geborenen Komponisten stiefmütterlich behandelt. Wolf, das lernt man als Konzertbesucher, ist zu den wichtigsten Liedmeistern nach Schubert zu zählen. Doch bis heute lautet ein ungeschriebenes Gesetz, daß nur die berühmtesten Sänger es wagen können, einen reinen Wolf-Liederabend zu programmieren. Wer kein Fischer-Dieskau ist, fürchtet sich, vor halbleeren Sälen zu singen.
Populär ist die Musik Wolfs also nicht geworden. Zu hoch legt der Meister der geschliffenen musikalischen Pointe die Latte - für die Sänger, die gefordert sind, ihre Stimme nicht nur technisch perfekt zu beherrschen, sondern auch noch mit tausendfältigen Ausdrucksnuancen zu reicher, beredter Entfaltung zu bringen; für die Pianisten, denen die Klavierparts der Wolf'schen Gesänge härteste Nüsse zu knacken aufgeben und die dennoch bescheiden im Dienste der gemeinsamen Sache stehen sollen, die da ist: dem Dichterwort vermittels der Musik zu reinstem Ausdruck zu verhelfen.
Und schließlich fordert Wolf die Hörer, die dem kleinteiligen, raffiniert differenzierten und niemals einem belkantesken Hedonismus nachgebenden Kompositionsstil folgen sollen - eine Herausforderung, bei deren Bewältigung sich emotionelle und intellektuelle Zuwendung stets die Waage halten müssen, will man dem Anspruch des Komponisten genügen. Was wiederum nötig ist, will man wirklichen Genuss ernten.
Ein Schwieriger also, ebenso schwierig zu »vermarkten« in oberflächlichen Zeiten wie diesen. Das haben schon Wolfianer vom Schlage eines Walter Legge erkannt, der als Gründer der Hugo Wolf Society Sorge trug, das Schaffen des Komponisten in erstklassigen Plattenaufnahmen zugänglich zu machen; allen voran gesungen natürlich von Legges Ehefrau, Elisabeth Schwarzkopf. Die Wolf-Gesellschaft ehrt bis heute Jahr für Jahr herausragende Interpreten für ihre Bemühungen um Wolfs Werk. 2010 erhielt Christa Ludwig die Wolf-Medaille. Bei der Überreichung in Stuttgart hielt der Doyen des Burgtheaters, Michael Heltau, die Laudatio.
In Wien hat hingegen beispielsweise rund um Wolfs 150. Geburtstag im Jahr 2010 gerade einmal im Radiokulturhaus ein feines Wolf-Festival stattgefunden, das unter anderem ein Programm enthielt, das Birgid Steinberger, Michaela Selinger und Wolfgang Holzmair gestaltet haben. Bei der Gelegenheit konnten Musikfreunde gleich einige Stilisten kennenlernen, die sich auf die wortdeutliche Darstellung verstehen. Russell Ryan waltete am Klavier, als Hermine Haselböck, Bernhard Berchtold und Florian Boesch am 21. März mit Goethe-Liedern den Schlußpunkt setzten. An einem der Abende wurde übrigens das Spanische Liederbuch, durch Visualisierung auch optisch interpretiert. Hand aufs Herz, wie oft war dieser bedeutende Zyklus seither in Wien in seiner Gesamtheit zu hören?