Anton Bruckner, die Sinnlichkeit und die Satyrn
Bruckners Fünfte unter Harnoncourt im Musikverein: vielleicht nicht groß, interessant jedenfalls.
Nikolaus Harnoncourt ist ein Dirigent, von dem man sich stets Einsichten verspricht, die sich nicht nur präzisem Entziffern des Notentextes, sondern auch dem Zwischen-den-Zeilen-Lesen verdanken.
Die »Klangrede«, Harnoncourts meistzitiertes Wort, kann auch - und schon gar - bei Bruckner erstaunliche Wahrheiten zu Tage fördern. Vor allem die: Wer Bruckner mit Lust am sinnlichen Klang, an raffiniert ausbalancierten Übergängen beizukommen versucht, erschließt neue, ungewohnte Hör-Dimensionen. Gerade im ersten Satz dieses philharmonischen Erneuerungsversuchs erstaunte vielleicht manchen Hörer, wie geradezu lässig der Dirigent mit den heiklen Temporelationen umging, die dieser Musik inneren Halt geben könnten: Viel eher schien den Maestro diesmal das sinnliche Farbenspiel zu interessieren, während er die beiden Mittelsätze kunstvoll miteinander verband, indem er - Bruckners Angaben beim Wort nehmend - endlich ein verhältnismäßig zügiges Tempo für das Adagio anschlug. (»Sehr langsam«, steht da, gewiss, aber für zwei, nicht vier oder gar sechs Pulsschläge pro Takt!). Womit sich endlich das Scherzo als Satyrspiel entlarvt - und folgerichtig im alles zusammenfassenden Final-Satz nicht mehr extra zitiert werden muss.
Solche Einsichten vermittelt Harnoncourt freilich - und sie trösten wohl darüber hinweg, dass dem Finale, wiewohl schön gesteigert, jegliche im besten Sinn pathetische Größe fehlte. Freilich: Die kühnen Kontrapunkte lösten die Philharmoniker mit Spiellaune und Klangschönheit auf. Eine Rarität auch das, einsichtig, vielleicht nicht erhebend, aber offenkundig begeisternd.
11. Juni 2004
Den Blick auf diese Partitur erschweren ungezählte emotionelle wie metaphysische Assoziationen, die sich angesichts der nicht nur für damalige Begriffe ungeheuerlichen kontrapunktischen Struktur und des Schlusschorals angesammelt haben. Ist es nun eine »Glaubenssymphonie«, darf man sinnliche, bodenständige, dramatische Elemente in dieser Musik aufspüren?Nikolaus Harnoncourt ist ein Dirigent, von dem man sich stets Einsichten verspricht, die sich nicht nur präzisem Entziffern des Notentextes, sondern auch dem Zwischen-den-Zeilen-Lesen verdanken.
Die »Klangrede«, Harnoncourts meistzitiertes Wort, kann auch - und schon gar - bei Bruckner erstaunliche Wahrheiten zu Tage fördern. Vor allem die: Wer Bruckner mit Lust am sinnlichen Klang, an raffiniert ausbalancierten Übergängen beizukommen versucht, erschließt neue, ungewohnte Hör-Dimensionen. Gerade im ersten Satz dieses philharmonischen Erneuerungsversuchs erstaunte vielleicht manchen Hörer, wie geradezu lässig der Dirigent mit den heiklen Temporelationen umging, die dieser Musik inneren Halt geben könnten: Viel eher schien den Maestro diesmal das sinnliche Farbenspiel zu interessieren, während er die beiden Mittelsätze kunstvoll miteinander verband, indem er - Bruckners Angaben beim Wort nehmend - endlich ein verhältnismäßig zügiges Tempo für das Adagio anschlug. (»Sehr langsam«, steht da, gewiss, aber für zwei, nicht vier oder gar sechs Pulsschläge pro Takt!). Womit sich endlich das Scherzo als Satyrspiel entlarvt - und folgerichtig im alles zusammenfassenden Final-Satz nicht mehr extra zitiert werden muss.
Solche Einsichten vermittelt Harnoncourt freilich - und sie trösten wohl darüber hinweg, dass dem Finale, wiewohl schön gesteigert, jegliche im besten Sinn pathetische Größe fehlte. Freilich: Die kühnen Kontrapunkte lösten die Philharmoniker mit Spiellaune und Klangschönheit auf. Eine Rarität auch das, einsichtig, vielleicht nicht erhebend, aber offenkundig begeisternd.