DIE BRUCKNER-ZEITLEISTE

1824

geboren in Ansfelden als erstes Kind einer Familie von niederösterreichischen Bauern und Handwerken. Großvater Josef (Jahrgang 1749) und Vater Anton senior (Jahrgang 1791) waren Lehrer in Ansfelden.

1834

Anton Bruckner junior, der jeden Sonntag im Kirchenchor mitsingt, darf versuchsweise das erste Mal beim Gottesdienst Orgel spielen.

1835

Cousin Johann Baptist Weiß nimmt Anton nach der Firmung zu sich nach Linz. Dort hört der spätere Komponist erstmals größer besetzte Orchesterwerke und Joseph Haydns Oratorien Die Schöpfung und Die Jahreszeiten. Unter diesen Eindrücken entstehen erste Kompositionsversuche - unter anderem ein Pange lingua, das Bruckner selbst noch 1891 paraphrasierend neu gestalten wird.

1837

Bruckner wird Sängerknabe im Stift St. Florian.



1840

Bruckner soll in die Fußstapfen seines Vaters treten und beginnt mit einer Ausbildung zum Lehrer. Im Zuge dessen erhält er unter anderem Unterricht in Harmonielehre von August Dürrnberger, dessen Lehrbuch er selber im Unterricht später verwenden wird.
Bruckner kopiert Bachs Kunst der Fuge und kontrapunktische Werke von Beethovens Kontrapunkt-Lehrer Albrechtsberger. Während der Messen hört er stets die kirchenmusikalischen Kompositionen Haydns und Mozarts. Im Konzert hört er erstmals Beethovens Vierte Symphonie.

1841

Bruckner wird Schulgehilfe in Windhaag bei Feistadt, unterrichtet, arbeitet auf den Feldern und versieht Dienste als Mesner. Adalbert Stifter ist einer der Schulinspektoren, die Bruckner in jener Zeit kennenlernt.

1842

Bruckner versucht sich an einer Messe in C-Dur

1843

Bruckner wird Lehrer in Kronstorf bei Steyr, ein einsamer Posten. Musikalisch bildet sich Bruckner bei Leopold von Zenetti in Enns im Generalbaß weiter. Im Zuge dessen lernt er Bachs Wohltemperiertes Klavier kennen. In Steyr kommt er mit Musik von Schubert in Berührung, die ihn sofort beeinflußt: Ein Tantum ergo, komponiert für Männerchor zeigt schubertische Züge.


Anton Bruckner, 1845

1845

Bruckner besteht die Abschlußprüfung für das Volksschul-Lehramt und brilliert musikalisch mit Improvisationen von Fugen. Autodiaktisch bildet er sich mit Partiturstudien weiter.

1849

Bruckner vollendet sein Requiem, ein Werk, das er noch 1894 neu bearbeiten wird.


Anton Bruckner um 1850

1851

Bruckner wird Stiftsorganist von St. Florian, bleibt aber skeptisch, was den Musikerberuf anlangt und versucht, sich zum Hauptschullehrer ausbilden zu lassen (Abschlußprüfung 1855).

1854

Bruckner bewirbt sich an der St. Florianer Gerichtskanzlei um einen Posten im Kanzleidienst.

Die Missa solemnis in b-Moll entsteht.
Bruckner besteht eine Orgelprüfung.

1855

Bruckner wird Domorganist in Linz - nur das gute Zureden seines Beichtvaters und des Prälaten von St. Florian können den schüchternen Selbstzweifler dazu überreden, sich für dieses Amt zu bewerben.

1858

Studien bei Simon Sechter in Wien. Bruckner reist Jahr für Jahr für einen etwa sieben- bis achtwöchigen Aufenthalt nach Wien. 1859 wird der Unterricht im Fuge und und Kanon fortgesetzt.

Übungsblatt aus dem Kurs bei Sechter


1860

Als Organist bereits legendär, wird Bruckner Chormeister der Liedertafel Frohsinn, zieht sich aber nach einem Mißsverständnis ein Jahr später wieder zurück. Erst 1868 nimmt er das Chormeister-Amt wieder auf. Das siebenstimmige Ave Maria entsteht.

1861

Der bedeutend jüngere Otto Kitzler, Cellist am Linzer Landestheater, wird Bruckners Lehrer und es gelingt ihm, den schüchternen »Zögling« zu höherem musikalischem Selbstvertrauen zu führen.

bis 1863

Es entstehen solide Kompositionsversuche dank ausgiebiger Beschäftigung mit der klassischen Sonatenform. Außerdem Instrumentationsübungen wie ein Orchestersatz des ersten Satzes von Beethovens Pathétique-Sonate.

Nach der Ouvertüre in g-Moll wird eine Symphonie in f-Moll zur ersten groß angelegten Bruckner-Komposition - noch ganz im Banne von Felix Mendelssohn-Bartholdy, dessen Paulus Bruckner nach einer Linzer Aufführung teilweise exzerpiert hatte.

1863

Beim Ehepaar Betty und Moritz von Mayfeld lernt Bruckner Musik aus Wagners Tristan (in Klavierarrangements ohne Text) kennen. Er komponiert Germanenzug und eine Symphonie in d-Moll, die er 1869 noch einmal bearbeitet und ursprünglich mit der Nummer 2 versieht, sie später aber als Nullte zurückstuft. Noch in späten Jahren beurteilt er das Werk höchst kritisch.


Der Linzer Abendbote über die Aufführung der d-Moll-Messe im Linzer Redoutensaal.
Weiter unten heißt es:
Dieß Eine dürfte sicher sein: Daß er schon in nächster Zukunft das Feld der Symphonie und zwar mit größtem Erfolg bebauen dürfte.

1864

Mit der Messe in d-Moll gelingt Anton Bruckner der Durchbruch zum eigenständigen, freien Schaffen. Johann Herbeck nimmt das Werk 1867 ins Repertoire der Wiener Hofkapelle auf.

Während sein Ansehen als Komponist mit einem Mal steigt, kämpft Bruckner privat immer wieder damit, daß die jungen Mädchen,

Minna Reischl
um die er linkisch wirbt, mit seinem verschrobenen scheinenden Wesen nichts anzufangen wissen. Immer wieder scheitern ernst gemeinte Werbungen - zuletzt noch 1891 an ein Zimmermädchen in einem Berliner Hotel und an die 18-jährige Minna Reischl in Steyr. Bruckner sieht sich eine Zeitlang als Welt- und Menschenfeind, wie er sich selbst in einem Brief an einen Freund charakterisiert.

1865

Bruckner hört in München eine Aufführung von Tristan und Isolde. Dirigent ist Hans v. Bülow, der sich für Bruckners d-Moll-Symphonie interessiert.
Der spätere Erzfeind Eduard Hanslick, Kritiker der Neuen Freien Presse, rät Bruckner nach Auftritten beim Linzer Chorfest wohlwollend, nach Wien zu übersiedeln.

Die Symphonie Nr. 1 c-Moll erhält ihre endgültige Gestalt (süäter bekannt als erste oder: »Linzer Fassung«)

1866

Messe in e-Moll für Chor und Blasorchester.
Bruckner erleidet einen nervösen Zusammenbruch und geht drei Monate lang nach Bad Kreuzen zur Kur. Auch 1867 kommt es zu einem Kuraufenthalt, ehe die Gesundheit wieder hergestellt ist.

1868

Uraufführung der Ersten Symphonie in Linz. Das Orchester ist überfordert, das Publikum skeptisch bis ratlos.

Vollendung der dritten großen Messe in f-Moll.

Auf insistierende Vermittlung Johann Herbecks erhält der seelisch zerrüttete Bruckner den Posten als Professor für Generalbaß, Kontrapunkt und Orgel am Wiener Konservatorium. Herbeck ist es auch, der dem Komponisten die Anwartschaft auf den Posten des Hoforganisten in Wien vermittelt - das Amt tritt Bruckner 1878 an.
Anton Bruckner geht nach Wien.

Bruckner beim Unterricht

1869

Auf Anraten Eduard Hanslicks reist Bruckner zu zwei Orgelkonzerten nach Nancy. Dort ergibt sich ein Engagement nach Paris, wo Bruckner vor César Franck Camille Saint-Saëns und den Opernmeistern Auber und Gounod mit sensationellem Erfolg spielt.
Bruckner bekommt ein staatliches Stipendium
zur Herstellung größerer symphonischer Werke.
Dieses Stipendium wird Bruckner auch 1870 zugesprochen.

1871

Eine Orgel-Reise nach England wird zu einem der größten Triumphe in Bruckners Leben. Anfang August gibt er eine Woche lang täglich Konzerte in der Royal Albert Hall, Ende August fünf Konzerte im Kristallpalast. Vor allem seine Improvisationen werden legendär.

Auf dieser Reise legt Bruckner letzte Hand an seine Zweite Symphonie. Franz Liszt setzt sich für eine Aufführung der Novität ein, aber der Dirigent der Wiener Philharmoniker, Otto Dessof, lehnt ab.


Bei Wagner (Scherenschnitt: Böhler)

1873

Die Erstfassung der Dritten Symphonie entsteht. Bei einem Besuch in Bayreuth legt Bruckner Richard Wagner die Partituren seiner Zweiten und Dritten vor. Wagner akzeptiert die Widmung der Dritten Symphonie.
Mit Unterstützung des Prinzen Johann von Lichtenstein gelingt es Bruckner, eine Aufführung der Zweiten Symphonie unter eigener Leitung mit den Philharmonikern durchzusetzen. Der Erfolg ist groß, aber es äußern sich bereits kritische Stimmen.

1874

Die Vierte Symphonie (Erstfassung - noch ohne das berühmte Jagd-Scherzo) entsteht.
Bruckners Verbindungen zum Wagner-Kreis lassen ihn den konservativen Wiener Kreisen um Johannes Brahms und Eduard Hanslick zunehmend suspekt erscheinen. Es formiert sich langsam eine Anti-Bruckner-Phalanx. Dennoch stimmt Hanslick nach anfänglicher Abwehrhaltung der Berufung Bruckners an die Wiener Universität zu (1875).

1875/76

Die Fünfte Symphonie entsteht. Bruckner wird das Werk in seiner Orchesterfassung nie zu hören bekommen.
Im Sommer 1876 wohnt Bruckner den Proben und der Uraufführung von Wagners Ring des Nibelungen in Bayreuth bei.


Anton Bruckner in den 70erjahren

1877

Johann Herbeck hatte nach anfänglicher Weigerung die Aufführung der Dritten Symphonie im Rahmen der philharmonischen Konzerte akzeptiert, stirbt aber am 28. Oktober unerwartet. Bruckner dirigiert die Aufführung am 16. Dezember selbst - es wird ein Fiasko.

1878/79

Für den Nachfolger Herbecks als Hofkapellmeister, Joseph Hellmesberger, komponiert Bruckner das Streichquintett. Hellmesberger bittet den Komponisten, das Scherzo durch ein ruhigeres Intermezzo zu ersetzen. 1879 liefert Bruckner diesen Satz nach.

1879

Beginn der Arbeit an der Sechsten Symphonie, Komposition eines neuen Final-Satzes für die Vierte.

1880

Im Rahmen einer Schweiz-Reise gibt Bruckner zahlreiche Orgelkonzerte. In Oberammergau besucht der Passionsspiele.

1881

Erfolgreiche Uraufführung der Vierten Symphonie in der Fassung mit dem sogenannten Jagd-Scherzo und dem neuen Finale.
Franz Schalk und vier weitere Studenten Bruckers heben das Streichquintett aus der Taufe. Der Erfolg ist durchschlagend, das Werk wird in den folgenden Jahren immer wieder aufs Programm gesetzt. Widmungsträger Hellmesberger spielt es mit seinem Ensemble erst 1885.

1882/83

In St. Florian und Wien entsteht die Siebente Symphonie. Richard Wagner, den Bruckner 1882 das letzte Mal gesehen hat, stirbt 1883 - unter dem Eindruck dieses Todesfalls komponiert Bruckner die schmerzvollen Takte der Coda des Adagios seiner Siebenten.

1884

Am 30. Dezember 1884 bringt Arthur Nikisch in Leipzig die Siebente Symphonie zur Uraufführung.

Aus dem Notizkalender
Über die Publikumsreaktion anläßlich dieser Premiere gibt es unterschiedliche Berichte. Tatsächlich tritt das Werk in der Folge einen Siegeszug an, der Bruckners Berühmtheit in ganz Europa steigert. Hermann Levi, Uraufführungsdirigent von Wagners Parsifal, wird zum entschiedenen Anwalt dieser Symphonie.



1885

Erste Aufführung des Te Deum unter Bruckners Leitung in Wien (mit Begleitung von zwei Klavieren. Die Orchesterfassung dirigiert erstmals Hans Richter im Jänner 1886.)

1887

Bruckner zieht den Schlußstrich hinter die erste Fassung seiner Achten Symphonie. Wider Erwarten distanziert sich Hermann Levi von dieser Komposition und findet sie unverständlich. Bruckner beginnt, das Werk umzuarbeiten.

1886-1890

Bruckner arbeitet an älteren Werken und stellt über Anraten seiner Freunde Neufassungen der Ersten und Dritten Symphonie her. Sie erscheinen wie eine neue Version der Vierten 1890 in Druck und erleben umjubelte Aufführungen in Wien.

1887

Bruckner beginnt an seiner Neunten zu arbeiten, ist aber überwiegend mit dem Bearbeiten früherer Partituren beschäftigt.

1892

Uraufführung der Achten Symphonie in der Zweitfassung durch Hans Richter und die Wiener Philharmoniker. Sie beschert Bruckner den vielleicht größten Triumph seines Lebens.

1893

Hermann Levy dirigiert die Erstaufführung der Achten in München und eine weitere Aufführung in Wien.

Bruckner trägt sich erstmals mit Plänen zu einer Oper, angeregt durch ein Text-Angebot seiner langhährigen Bekannten Elisabet Bolle, die ihm allerdings unter einem männlichen Pseudonym geschrieben hatte. Bruckner erwidert begeistert, er könne sich nach Vollendung seiner Neunten Symphonie vorstellen, eine Oper zu schreiben:
à la Lohengrin, romantisch, religios-misteriös und besonders frei von allem Unreinen !



Skizze zum Finale der Neunten

1896

Bruckner stirbt in Wien. Das Finale seiner Neunten Symphonie bleibt Fragment. In seinem Nachlaß sollen sich etliche Partiturbögen des Satzes befunden haben, die von Souvenirjägern nach Bruckner Tod entwendet wurden; viele davon fanden sich nie wieder.




↑DA CAPO