Hector BERLIOZ
1803 - 1869
Enfant terrible und Begründer der französischen Romantik -- Meister der Orchestrierungskunst -- Musik-Feuilletonist
Groß geworden in der väterlichen Bibliothek, war Hector Berlioz zeitlebens ein Homme de lettres und verband alle seine musikalischen Pläne mit hochfliegenden außermusikalischen Fantasien.
Symphonie fantastique
Seine ersten bedeutenden Werke, die bis heute popläre → Sinfonie fantastique und die Huit scènes de Faust waren bereits vollendet, als ihm 1830/31 für die Kantate La dernière nuit de Sardanapale der begehrte Rom-Preis und damit das Adelsprädikat der musikalischen Öffentlichkeit Frankreichs zugesprochen wurde.
Lélio und Lear
In Rom entstanden die Fortsetzung der Symphonie, Lélio ou Le retour à la vie und die erste der großen Konzert-Ouvertüren, Le roi Lear.
In Lélio bricht Berlioz bereits mit allen Konventionen und führt eine Sprechrolle und Chor in die Symphonik ein, um den Konzertsaal in ein imaginäres Theater zu verwandeln.
Neudeutsche Schule
Auf Konzertreisen erntete Berlioz in ganz Europa neugieriges Staunen und heftige Ablehnung, aber auch die Bewunderung bedeutender Künstler. Für Komponistenkollegen wie Franz Liszt wurde die Begegnung mit Berlioz' Fantasiewelt zum Schlüsselerlebnis. Seine programmatischen Ideen und seine kühnen musikalischen Konzepte, die in eigener Realisierung oft nicht ganz aufgingen, inspirierten die Kollegen zu weiteren Höhenflügen. Die sogenannte »Neudeutsche Schule« wäre ohne Berlioz nicht denkbar.
Richard Strauss
Von ihm ausgehend führt eine direkte Linie über Franz Liszts Tondichtungen zu Richard Strauss und zu den Orchestrierungskünsten eines Richard Wagner. Strauss bearbeitete später auch Berlioz' Insrumeentationslehre und äußerte sich, im übrigen allen romanischen Musik-Strömungen skeptisch begegnend, bewundernd über die Kompositionen des Franzosen.
Kampf für Weber
Berlioz seinerseit sah neben Beethoven vor allem Christoph Willibald Gluck und Carl Maria von Weber als seine Ahnväter, baute also ganz bewußt auf der deutschen Musiktradition auf. Von Weber bearbeitete er den Klavierwalzer Aufforderung zum Tanz als brillantes Orchesterstück, um es als - in Paris verbindlich vorgeschrieben - Balletteinlage in eine Afführung des Freischütz einlegen zu können. Das Werk brachte er als erster ohne Verstümmelungen in die Pariser Opéra, freilich mußte er es zu diesem Zweck - ebenfalls laut Vorschrift - mit Rezitativen versehen.
Gigantomanie
Zu den gewaltig dimensionierten Werken von Berlioz hählen die Grande messe des morts, komponiert in riesenhafter Besetzung für die Beisetzung des Generals Damrémont im Invalidendom, 1837) das dreichörige Te Deum (1849) und die »dramatische Symphonie« Roméo et Juliette (mit Gesangsolisten und Chören, 1839).
Aus den Acht Faust-Szenen des op. 1 wurde die »dramatische Legende« La damnation de Faust (1846) ein Zwitterwerk zwischen Oratorium und Oper.
Für die Opernhäuser bestimmt waren Berlioz'
* → Benvenuto Cellini (Paris 1838)
* Béatrice et Bénédict (Baden-Baden 1862)
und
* → Les Troyens (1855-58)
wobei die riesenhaft angelegten - wiewohl in ihrer Aufführungsdauer nicht viel länger als Wagners Siegfried dauernden Trojaner erst nach Berlioz' Tod in Paris in Szene gingen, aufgeteilt auf zwei Abende:
* La prise de Troie (1899) und
* Les Troyens à Carthage (1863).