Antonino Vivaldi

1678 - 1741

Antonio Vivaldi ist in Wien gestorben - und hat im Wiener Musikleben überhaupt keine Rolle gespielt.

Das ist eine der vielen schmerzlichen Details in der wienerischen Musik-Biographie - und es ist eine unrühmliche letzte Station im Leben eines an Mißerfolgen, aber auch an künstlerischem Glanz reichen Lebens.


Vivaldi gehört zu den meistgespielten Komponisten der Welt. Spötter behaupten, er hätte ein und dasselbe Konzert 500 Mal komponiert - was freilich eine Bosheit ist, aber auch ein Lob darstellt: Vivaldis Tonfall erkennt man tatsächlich an den ersten Takten jedes seiner Werke.

Und diese Originalität sicherte dem Genie auch die Möglichkeit, in rasender Geschwindigkeit Stücke zu produzieren, die so gut wie immer mit Überraschungen aufwarten.

Tatsächlich unterscheiden sich die vielen Concerti stark voneinander. Und daß mit der dreisätzigen Struktur und der typischen Ritornellform der Allegro-Sätze ein Modell für alle Komponisten jener Epoche geschaffen wurde, spricht eher für Vivaldis Größe als für billiges Schablonendenken.

Vivaldi kam als Sohn eines Barbiers zur Welt, der in Venedig als Berufsmusiker Fuß gefaßt hatte und große Anerkennung genoß.

Der Sohn sollte - als einziges von zehn Kindern - in die Fußstapfen des Vaters treten, aber zunächst seinen gesellschaftlichen Aufstieg sichern. Also schlug Antonio die geistliche Laufbahn ein, empfing zunächst die Niederen Weihen, um schließlich mit 25 für kurze Zeit das Priesteramt auszuüben. Der »rote Priester«, wie er wegen seiner vom Vater ererbten Haarfarbe genannt wurde, sollte aber dann doch als Musiker berühmt werden.

Seine chronische Erkrankung - vermutlich Asthma - entband ihn bald der liturgischen Verpflichtungen.

Daß aus Vivaldis Federn einige der schönsten → geistlichen Kompositionen des Hochbarock stammen, hat die Welt bald vergessen. Er galt der Nachwelt als der Meister des Concerto.

Kapellmeister der Damen

Stattdessen wurde Vivaldi Musiklehrer und bald auch Kapellmeister am Ospedale della pietà, einem Mädcheninternat, wo ihm auch ein reines Damen-Orchester zur Verfügung stand.
Als Hahn im Korb konnte Vivaldi auf diese Weise seiner klanglichen Phantasie freien Lauf lassen und seine für den liturgischen Gebrauch bestimmten Sonaten und Konzerte für formale und harmonische Experimente sonder Zahl nutzen. Die jungen Musikerinnen werden es ihm gedankt haben, daß er sie mit abwechslungsreichen musikalischen Aufgaben vom strengen klösterlichen Schulalltag abzulenken wußte.

500 Concerti

Immer neue Kombinationen von Instrumenten wurden ausprobiert. Konzerte für ein oder mehrer Violoncelli, ein damals gar nicht viel beschäftigtes Solo-Instrument, Konzerte für Fagott, Konzerte für Oboe, für Piccoloflöte, für Gruppen von Solisten - und vor allem für Violine; fast die Hälfte der an die 500 erhaltenen Concerti sind für dieses Instrument gesetzt.

Etliche der oft hochvirtuosen Violinsoli schrieb Vivaldi für eine Geigerin namens Anna Maria, der er zumindest künstlerisch lange attachiert war.

Der Ruhm Vivaldis war in Venedig bald enorm - und drang mit der Publikation der Concerti op. 3 im Jahr 1711 über die Alpen.

Seine Concerti hatten Vorbildwirkung allenthalben - selbst ein Johann Sebastian Bach erfreute sich an ihnen und arrangierte beispielsweise das Konzert für vier Violinen als Konzert für vier Cembali - bestimmt für seine Aufführungen im Zimmermannschen Kaffeehaus zu Leipzig, wo das Stück gewiß enormen Effekt gemacht hat.

Der Opernkomponist

Natürlich lockte den mittlerweile berühmt gewordenen Musiker die hochmodische Form der Oper. Als sozialer Aufsteiger hatte Vivaldi zwar kaum Chancen, die großen Opernhäuser Venedigs für sich zu erobern. Aber am kleinbürgerlichen Teatro S. Angelo stieg er bald zum Impresario und Manager seiner eigenen Interessen auf.

So wurde aus dem Damen-Kapellmeister und Erfinder des barocken Konzerts der bald ebenso weltberühmte Opernkomponist Vivaldi. An die 50 Opernpartituren haben sich - in mehr oder weniger fragmentarischer Form erhalten. Man spielte Vivaldi-Opern nicht nur in ganz Italien, das er an der Seite seiner Favoritin, der Sängerin Anna Girò bereiste, sondern auch in Prag und -- wollte den Maestro nach Wien engagieren.

Doch als er in der kaiserlichen Hauptstadt erschien, starb Kaiser Karl VI. und die Staatstrauer verhinderte jegliche musikalische Unterhaltung; schon gar den Opernbetrieb.

Zwar ist nachgewiesen, daß man 1741 nach Ende der Trauerzeit ein Werk aus Vivaldis Feder in Wien gezeigt hat; doch da war der Komponist schon tot.
Beigesetzt auf dem Friedhof neben der Karlskirche, dort, wo heute das Gebäude der Technischen Universität steht.
Eine Gedenktafel erinnert an das traurige Ende eines der größten Meister des Barock, der am Ende seines Lebens doch beinahe schon wieder vergessen war...


 

↑DA CAPO