Andrea Chénier

Umberto Giordano

Giordanos Andrea Chénier ist eine der wichtigsten Opern des frühen »Verismo«.

Der Komponist

Beim Opern-Wettbewerb, den im Jahre 1888 der Verleger Sonzogno ausgeschrieben hatte, belegte Umberto Giordano als jüngsten Teilnehmer den sechsten Platz, der ihm einen Kompositionsauftrag einbrachte: Mala vita, der Opernerstling, sorgte wegen der grausamen Handlung für einen Skandal anläßlich der Uraufführung in Rom, 1892. Doch hellhörige Kommentatoren fühlten das Talent dank der Experimente mit realistischen Ausdrucksformen, die Giordano in Regina Diaz wenig später zugunsten romantischer Stilelemente zurückdrängte. Doch die Vokabeln seiner Klangsprache hatte Giordano gefunden - und wendete sie in dem im Verein mit dem Librettisten Luigi Illica (1857-1919) entworfenen Andrea Chénier konsequent wieder an.

Entstehung

Zu dem Revolutions-Sujet war Giordano gekommen, nachdem Alberto Franchetti (1860-1942) den Text abgelehnt hatte. Zwar gerieten sich Illica und Giordano über Details in die Haare, doch war die Partitur im Jänner 1896 vollendet. Die Oper bescherte dem Komponisten den Triumph seines Lebens.

Wirkung und Nachwirkung

Schon ein knappes Jahr nach der Uraufführung im März 1896 an der Mailänder Scala dirigierte Gustav Mahler die Oper in Hamburg. Die New Yorker Erstaufführung hatte schon früher stattgefunden, London und die deutschen Theater folgten.

Zwar wurde wenig später auch Giordanos Fedora ein Erfolg, der aber nicht an jenen des Chenier heanreichte. Von nachfolgenden Bühnenwerken Giordanos konnte nur noch Madame Sans-Gêne (1915 unter Arturo Toscaninis Leitung uraufgeführt) einige Aufmerksamkeit erregen.

Die letzte vollendete Oper des Komponisten, Il Ré, ließ mit enormen Anforderungen an die Koloraturkunst der weiblichen Hauptrolle aufhorchen (1929).

Umberto Giordano starb am 12. November 1948 in Mailand.

Historischer Hintergrund

Andrea Chénier hat wirklich gelebt. Der Dichter André Marie Chénier endete am 25. Juli 1794 31-jährig auf der Guillotine. Während der französischen Revolution war er als rhetorisch geschickter Redner bekannt. In den Revolutionswirren setzte er sich für eine konstitutionelle Monarchie ein und sah mit der Verfassung von 1791 eine friedliche Lösung der Konflikte erreicht. Gegenüber den radikalen Jakobinern gab er sich kritisch, extreme politische Aktionismen geißelte er mit spöttischen Versen, die rasch die Runde machten. Nach der Hinrichtung König Ludwigs XVI. sah er sich zur Flucht gezwungen. Als er 1794 Freunde in der Nähe von Paris besuchte, wurde er festgenommen und zum Tod verurteilt.

In der Gefängnishaft verfaßte er politische Streitschriften, die er mit seiner Wäsche nach außen schmuggeln konnte.

Auch
die Figur des Gérard hat ein historisches Vorbild, den Revolutionär Jean-Lambert Tallien.

Die Handlung

Im Sommer 1789 auf Schloß Coigny: Der Diener Charles Gérard, der beobachtet, wie mühsam für seinen Vater der Frondienst geworden ist, haßt die adelige Gesellschaft. Er prophezeit ihren baldigen Sturz. Doch ist er verliebt in die junge Comtesse Madeleine, die allerdings auch einem der Gäste der Gräfin Coigny gefällt, dem Dichter André Chénier. Der läßt sich von der koketten jungen Angebeteten überreden, einige Verse vorzutragen. In einem virtuosen improvisatorischen Vortrag schlägt Chénier einen Bogen von Rokoko-Schäferpoesie zu revolutionärem Gedankengut, reichlich gespickt mit Anspielungen auf Adel und Klerus. Die große Gesellschaft ist pikiert, doch Madeleine verteidigt den Dichter. Plötzlich stürmt eine Schar hungriger Bauern, angeführt von Gérard in den Salon. Die Diener können die Aufrührerischen zurückdrängen, die Tafelmusik beginnt wieder zu spielen...

Fünf Jahre später, im Juni 1794 gilt André Chénier den siegreichen Revolutionären als einer der Ihren. Doch rät ihm sein Freund Roucher zur Flucht aus Paris. Der Schein trüge: Intrigen seien gegen den Dichter im Gange. zu verlassen. Doch Chénier will dahinterkommen, von welcher Dame die anonymen Liebesbriefe stammen, die er seit einiger Zeit erhält. Währenddessen beauftragt Gérard, mittlerweile Mitglied des Revolutionsrats, den Spitzel Incroyable, Madeleine zu finden. Über die Dienerin der Coignys, Bersi, hat Chénier die Einladung zu einem geheimen Treffen erhalten: Madeleine gibt sich ihm als Verfasserin der Briefe zu erkennen. Incroyable belauscht das Liebesgeständnis und hinterbringt die Nachricht. Im folgenden Duell verwundet Chénier Gérard, der ihm trotz allem zur Flucht rät: Er stehe auf der Liste der Verdächtigen...

Es kommt zum Tribunal. Incroyable rät Gérard die Anklageschrift gegen Chénier zu verfassen. Er gut es, wenn auch unter Skrupeln - weiß er doch, damit seine Ideale zu verraten. Madeleine erscheint: Sie verspricht, sich Gérard hinzugeben, wenn es ihm gelinge, Chénier freizubekommen. Gérard gelobt, sich dafür einzusetzen - doch das Tribunal verurteilt den Dichter zum Tode.

Im Gefängnis trägt Chénier Freund Roucher letzte Gedichte vor. Madeleine besticht einen Wärter: Sie will den Platz einer Verurteilten einnehmen, um gemeinsam mit ihm in den Tod zu gehen. Gérard Bemühungen um eine Begnadigung sind erfolglos. Nach einer Liebesnacht im Kerker betreten Madeleine und Chénier erhobenen Hauptes das Schafott.




↑DA CAPO