Anton von Webern
»Stücke« für Violine und Cello
Vier Stücke op. 7
Für Violine und Klavier
1. Sehr langsam
2. Rasch
3. Sehr langsam
4. Bewegt
Die erste Schaffensphase Anton von Weberns war - vor allem in den Sommermonaten am heimatlichen »Preglhof« in Kärnten - höchst produktiv und brachte vor allem die bedeutendsten Werke im aphoristischen Stil hervor. Zwischen 1908 und 1910 entstanden die Werke, die unter den Opusnummern 1 bis 8 publiziert wurden. Die Stücke für Violine und Klavier op. 7 markieren einen ersten Höhepunkt in Sachen Reduktion auf das Wesentliche. Dabei experimentier Webern mit dem Klang, mit chromatischer Verdichtung der Harmonie und äußerster formaler Knappheit. Alle vier Stücke beschränken sich auf wenige Takte. Das längste (Nr. 2) zählt 24 Takte. Dynamisch lotet der Komponist Extremwerte aus, vor allem am unteren Rand der Skala bis hin zur Unhörbarkeit. Weberns Studenten sprachen von einer unter dem äußersten Pianissimo angesiedelten, virtuellen Vortragsbezeichnung namens pensato (also: »gedacht«).
2. Rasch
3. Sehr langsam
4. Bewegt
Webern selbst sprach über sein Op. 7 als einer Art Cyklus, wie er an seinen Lehrer Schönberg schrieb. Dieser Cyklus markiert den extremen Kontrastwerk zu Weberns Brotberuf in jenen Jahren: Die Musik am Rande des Verstummens entstand während jener Zeit, in der er als Kurkapellmeister in Teplitz Operetten von Leo Fall und Franz Lehár zu dirigieren hatte - am Pult eines kleinen Orchesters von im Höchstfall 22 Spielern. Diesen Posten kündigte Webern, enerviert von den ewigen Provinzpossen. An Schönberg schrieb er:
Oft betrübt’s mich, dass ich dort durch bin, aber ich bin doch froh, dass ich hier arbeiten und auf diesem Wege wieder weiter denken kann.
Für den Interpreten sind die Vier Stücke auch eine Art Kompendium geigeischer Effekt, die auf engstem Raum in erstaunlicher Kontrastwirkung vorstellt werden. Die noch für spätere Generationen verblüffende Kürze der einzelnen Sätze sorgt für eine Konzentration des Ausdrucks, die sich zuweilen schon auf einzelne Töne als expressive Elemente zurückzieht.
Das erfordert auch vom Hörer einige Mühewaltung. Wer sich zurücklehnt, um sich auf einen Kunstgenuß einzustellen, hat bald alle vier Stücke versäumt, ehe er sich gesammelt hat . . .
Dennoch interessierte sich ein Meistergeiger wie Arnold Rosé, Primarius des wichtigsten Wiener Quartett-Ensembles und Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, für die Novität - auch wenn er aus dienstlichen Gründen die Uraufführung nicht spielen konnte, nahm er Weberns Opus 7 in sein Repertoire auf und musizierte es nach 1912 wiederholt auch auf Gastspielreisen. In der Zwischenkriegszeit waren es dann der Geiger Rudolf Kolisch und der Pianist Emanuel Steuermann, die sich für die Stücke stark machten - und es unter anderem auf Wunsch des prominenten Gastes anläßlich eines Besuches von Maurice Ravel in Wien aufführten.
Drei kleine Stücke op. 11
für Violoncell und Klavier
1. Mäßige Achtel
2. Sehr bewegt
3. Äußerst ruhig
Die Cellostücke entstanden 1914 und treiben den in den Violinstücken op. 7 exekutierten Reduktions-Radikalismus noch auf die Spitze. Auch auf melodische Floskeln verzichtet die Musik nun, scheint mehr und mehr auf die Spannungsverhältnisse oft weit auseinanderliegender Einzeltöne zu vertrauen und die Aufführungsdauer noch einmal zu verknappen. 2. Sehr bewegt
3. Äußerst ruhig
Webern war sich darüber im klaren, daß ein unvorbereitetes Publikum an dieser Musik scheitern müsse. Die Uraufführung im Dezember 1924 in Mainz Maurits Franck, den Cellisten des Amar Quartetts und Eduard Zuckmayer, den Bruder des Schriftstellers Carl Zuckmayer - ohne daß der Komponist anwesend gewesen wäre. Noch 1939 schrieb Webern an Willi Reich, die Cellostücke sollten lieber gar nicht ins Programm eines geplanten Webern-Abends gesetz werden. Und zwar:
Nicht weil ich sie nicht gut finde. Aber sie würden ja nur missverstanden. Die Spieler und die Hörer können nur schwer etwas damit anfangen.Fertiggestellt hatte Webern seine aphoristischen Miniaturen wenige Wochen vor dem Attentat von Sarajewo. Kurz danach sandte er die Partitur an seinen Lehrer Arnold Schönberg - nicht ohne sich dafür zu entschuldigen, daß die versprochene Cellosonate nun doch nicht zustandegekommen sei und der Lehrer nun mit den kurzen Stücken vorlieb nehmen mußte.
Radikaler hat auch Webern dann in seiner Zwölftonphase nicht mehr komponiert. Stück Nr. 1 besteht gerade einmal aus neun Sechsachteltakten, in denen das Cello mit Dämpfer in dreifachem Piano behutsam Phrasen entfaltet, um sie jeweils gleich wieder zurückzunehmen.
Stück Nr. 2, »sehr bewegt« zu musizieren, ist im Verband der drei Stäze quasi das Scherzo. und besteht aus 13 Takten, die zwischen Dreier und Zweiertakt wechseln.
Das Finale ist wieder in ruhigem Tempo gehalten. Innerhalb der zehn Takte haben die beiden Instrumente nicht mehr als 20 Töne zu spielen, wobei jeweils knappe Gesten unmittelbar aufeinander bezogen werden, etwa das im äußersten Pianissimo (wiederum mit Dämpfer und am Steg zu spielende) Cellomotiv sanft von einem Klavier-Dreilang beantwortet wird. Danach reagiert das Cello mit einem einzigen Ton auf eine Klavier-Paraphrase seines Eingangs-Themas. Danach folgen nur noch ein Klavierakkord und eine verhauchende Cello-Geste -- all das passiert in Sekundenschnelle. Wer auch nur eines der emotionellen Zeichen in dieser »kleinen Welt« verpaßt, hat als Hörer schon verspielt . . .