Elisabeth Schumann

1888 - 1952

Hymnen wurden über diesen Sopran gesungen - doch es gab auch harsche Kritik wegen einer angeblich nicht vollkommenen technischen Beherrschung der zauberisch schönen, zu elganten Phrasen fähigen, dabei stets ungemein wortdeutlich geführten Stimme: Immerhin hielt Richard Strauss Elisabeth Schumann für eine ideale Interpretin der Sophie in seinem Rosenkavalier. Und er mußte es ja eigentlich wissen.

Über die optischen und darstellerischen Voraussetzungen, die Schumann zur Charakterisierung eines verführerischen Mädchens mitbrachte, herschte bei den Zeitgenossen Einigkeit. Der 24-jährige Publikumsliebling ging in seiner Hamburger Zeit ein leidenschaftliches Verhältnis mit dem Dirigenten Otto Klemperer ein, das zu allerlei gesellschaftlichen und persönlichen Turbulenzen führte.

Und was die Musik betrifft: Wer mag, kann in dem legendären großen Querschnitt durch die Oper unter Robert Hegers Leitung überprüfen, wie sich die Sängerin verschmitzt über das hohe Cis in der Rosenüberreichung schwindelt - technische Mängel?

Vielleicht, aber welch ein Charme, welch eine minutiöse Charakterisierung des nervösen, dann überwältigten Backfischs angesichts des Fis-Dur-Wunders dieser Szene. Solche Gestaltungskunst ist in Wahrheit nicht wieder erreicht worden, auch von den makellos singenden Sophien der nachfolgenden Interpretationsteschichte.

Grandios die Lied-Aufnahmen dieser Künstlerin, aus dem Wort geboren und jede Flexion des Textes, jede Gefühlregung in vokale Farbe und dynamische Nuance verwandelnd. Für Hugo Wolf, bei dem die Kleinteiligkeit der Gestaltungskunst ihren Höhepunkt erreicht, eine ideale Voraussetzung. Ganz spät in ihrer Karriere hat Elisabeth Schumann noch in den USA einen Kurs abgehalten und ihren Studenten versucht, diese Künste nahezubringen - auch für Hörer, die nicht versuchen möchte, das Unmögliche zu wiederholen, eine Sternstunde der Erkenntnis und tiefen Einsicht. Niemand Geringerer als Lotte Lehmann, die Marschallin in besagtem Rosenkavalier-Querschnitt und selbst eine bedeutende Lied-Gestalterin, meinte über die Stilsicherheit der Schubert-Aufnahmen ihrer Kollegin:
Vielleicht verkörpert Elisabeth Schumann heute am besten den Liedstil in seiner reinsten Form. In ihre Gesang gibt es auch nicht die geringste Spur ihrer Vergangenheit in der Oper.


Es war auch ein Liederabend, mit dem Elisabeth Schumann nach dem Zweiten Weltkrieg ihr Comeback in Wien feierte. Nach Einmarsch der deutschen Truppen, 1938, hatte sie, wie auch ihre Kollegin und Freundin Lotte Lehmann, das Land verlassen und war in die USA gegangen.
Anders als Lehmann - beide Damen hatten die Wiener Philharmoniker zu »Ehrenmitgliedern« gemacht! - kehrte Schumann nach 1945 immerhin als Liedsängerin zurück nach Österreich.
Wir hörten sie wieder, die geliebte Stimme, und jene acht furchtbaren Jahre, die hinter uns liegen, waren wie ein Tag.

Wiener Kurier, 26. Oktober 1946


Was nicht alle wußten, die dabei sein konnten: Elisabeth Schumann spendete den Reinerlös aus dem Kartenverkauf für die Wiedererrichtung der im März 1945 zerbombten Wiener Staatsoper.

Doch die Künstlerin war, das berichteten die Zeitungen ausführlich, nur für einen Abend nach Wien gekommen: Das Flugzeug landete wenige Stunden vor dem Konzert. Und präzis vier Jahre später, am 26. Oktober 1950 meldet die »Weltpresse«, die Sängerin hätte anläßlich eines Aufenthalts in Genf einem Reporter verraten, es würde so schnell zu keinem Wiedersehen kommen:
Es besteht leider keine Aussicht, daß Elisabeth Schumann ihr Konzertgastspiel vom Jahre 1946 in Wien in Bälde wiederholt.

↑DA CAPO