12. August 2010
Anna Netrebko, endlich als Julia
Salzburger Festspiele. Die Wiederaufnahme von Charles Gounods Shakespeare-Oper in der Hollywood-Produktion Bartlett Shers zeigt die Sopranistin an der Seite des neuen Traumpartners Piotr Beczala.
Sie war da. Sie hat gesungen. Anna Netrebko als Julia, das hätte schon 2008 stattfinden sollen. Aber da war der Publikumsliebling schwanger. Zur Wiederauflage der im besten "Mantel und Degen"-Stil choreografierten Produktion Bartlett Shers in der Felsenreitschule findet die Netrebko an der Stelle des Romeos von 2008, Rolando Villazons, mit Piotr Beczala einen neuen, einen wirklichen Traumpartner. Dessen tenorale Höhenflüge sind Glanzpunkte dieser Aufführung. Beczalas Stimme hat das rechte Ebenmaß, verfügt über metallischen Glanz und über zarten Schmelz in allen dynamischen Schattierungen, also auch im Piano, was immer noch - und heut' zumal - eine rare Tugend ist.
Netrebkos Julia ist denn auch am allerbesten in den Duetten mit dem Geliebten. Da ereignet sich dank stimmlicher und darstellerischer Präsenz beider Künstler atemberaubend natürliches, intensives Musiktheater. Wie die beiden die himmelhoch jauchzenden, zu Tode betrübten Emotionen der ersten Leidenschaft ausleben, wie sie zuletzt ganz ohne Turbomelodramatik miteinander in den Tod gehen, das lässt wohl auch abgebrühte Theaterbesucher nicht ungerührt.
Das genügt für einen anregenden Abend. Es muss genügen, denn um die beiden Protagonisten herum entwickelt sich musikalisch wenig Festspielwürdiges. Die Regie füllt die Breitwandbühne zwar unter Ausnutzung sämtlicher Arkadengänge wirkungsvoll mit Aktion, ob buntes Volksgewimmel samt effektvollen Scharmützeln oder stimmungsvoll ausgeleuchtete intime Begegnung: Dank Catherine Zubers Kostümen und den Versatzstücken, die Michael Yeargan jeweils rasch auf die und wieder von der Bühne tragen lässt (nie mehr als nötig), gibt es für das Auge fortwährend Beschäftigung.
Auf der Gegenseite punktet etwa der Stephano von Cora Burggraaf mit jugendlichem Charme, keineswegs aber mit viel Stimme. Russell Braun müsste im Vergleich zu alledem für seine sonor deklamierte Ballade von der "Queen Mab" rauschenden Applaus bekommen: Doch diese Solonummer des Mercutio kommt schon im ersten Akt, viel zu bald. Das Publikum ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie viel heiße Luft es noch zu hören bekommen wird - und bleibt zunächst stumm.
Ein adäquater Partner der Liebenden ist im Folgenden lediglich der Bruder Lorenzo von Mikhail Petrenko: Er agiert vokal rechtschaffen salbungs- und in der Gift-Szene sogar geheimnisvoll.
Einige schöne Soli (Oboe!) ausgenommen, ahnt man nichts von der Kolorierungskunst des "Romeo"-Komponisten, die doch in manchem schon die Heraufkunft des Impressionismus ahnen lassen könnte. Da ließe sich allerhand zaubern, was man in einer solchen Partitur niemals vermuten würde.
Netrebkos Julia ist denn auch am allerbesten in den Duetten mit dem Geliebten. Da ereignet sich dank stimmlicher und darstellerischer Präsenz beider Künstler atemberaubend natürliches, intensives Musiktheater. Wie die beiden die himmelhoch jauchzenden, zu Tode betrübten Emotionen der ersten Leidenschaft ausleben, wie sie zuletzt ganz ohne Turbomelodramatik miteinander in den Tod gehen, das lässt wohl auch abgebrühte Theaterbesucher nicht ungerührt.
Wenn das Mädchen zur Frau wird
Gewiss, die Stimme der Netrebko hat die Leichtigkeit nicht mehr, um Julias jugendfrisch-unschuldige Walzernummer so springlebendig wie nötig zu gestalten. Doch in dem Moment, in dem das Mädchen zur liebenden Frau wird, ist auch die vokale Gestalterin ganz auf der Höhe.Das genügt für einen anregenden Abend. Es muss genügen, denn um die beiden Protagonisten herum entwickelt sich musikalisch wenig Festspielwürdiges. Die Regie füllt die Breitwandbühne zwar unter Ausnutzung sämtlicher Arkadengänge wirkungsvoll mit Aktion, ob buntes Volksgewimmel samt effektvollen Scharmützeln oder stimmungsvoll ausgeleuchtete intime Begegnung: Dank Catherine Zubers Kostümen und den Versatzstücken, die Michael Yeargan jeweils rasch auf die und wieder von der Bühne tragen lässt (nie mehr als nötig), gibt es für das Auge fortwährend Beschäftigung.
Stimmliche Anämie im Hause Capulet
Das Ohr, das sich über den Wohllaut freut, den das Liebespaar verströmt, ärgert sich hingegen des Öfteren über unzulängliche Töne. Vor allem im Clan der Capulets herrscht stimmliche Anämie, weder der Papa (Darren Jeffery) noch der selbst ernannte Rächer Tybalt (Michael Spyres) verfügt auch nur annähernd über jene imposante Klanglichkeit, mit der sie sich wirklich Respekt verschaffen könnten.Auf der Gegenseite punktet etwa der Stephano von Cora Burggraaf mit jugendlichem Charme, keineswegs aber mit viel Stimme. Russell Braun müsste im Vergleich zu alledem für seine sonor deklamierte Ballade von der "Queen Mab" rauschenden Applaus bekommen: Doch diese Solonummer des Mercutio kommt schon im ersten Akt, viel zu bald. Das Publikum ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie viel heiße Luft es noch zu hören bekommen wird - und bleibt zunächst stumm.
Ein adäquater Partner der Liebenden ist im Folgenden lediglich der Bruder Lorenzo von Mikhail Petrenko: Er agiert vokal rechtschaffen salbungs- und in der Gift-Szene sogar geheimnisvoll.
Orchestraler Vorwärtsdrall
Die Amme von Susanne Resmark wiederum nimmt dank amüsant-liebevoller Aktion für sich ein. Was die Klangkulisse betrifft, werden sämtliche Sänger an diesem Abend nicht gerade verwöhnt. Yannick Nezet-Seguin versucht, dem Mozarteum-Orchester zwar sympathisch vorwärtsdrängenden Elan abzupressen, doch bleibt die Klangkultur dabei auf der Strecke.Einige schöne Soli (Oboe!) ausgenommen, ahnt man nichts von der Kolorierungskunst des "Romeo"-Komponisten, die doch in manchem schon die Heraufkunft des Impressionismus ahnen lassen könnte. Da ließe sich allerhand zaubern, was man in einer solchen Partitur niemals vermuten würde.