9. Februar 2009
Anna, Rolando und der Purismus
Als der Netrebko nach der Babypause ein paar Töne wegblieben. Zwischentöne über die Gnadenlosigkeit des Internet-Zeitalters
Klassik ist nicht out.
Die ganze Welt nimmt Anteil am Schicksal des Opernliebespaares Nummer eins.
Ob Anna ihre Spitzentöne erwischt, war die meistdiskutierte Frage der vergangenen Wochen, denn die Netrebko hat nach ihrer Babypause als »Lucia di Lammermoor« ihr Comeback an der New Yorker Met gefeiert - und prompt mit ein paar missglückten »Acuti« Schlagzeilen gemacht. »Never mind«, befand der Rezensent der »New York Times«, der Ausdruck, mit dem diese Sängerin ans Werk geht, entschädige für jede Panne im Extrembereich, noch dazu, wo Donizetti die fraglichen Noten gar nicht in seiner Partitur festschrieb.
Gnadenlos, wie unsere Zeit nun einmal ist, steht der Livemitschnitt freilich sofort »online«. An Missgeschicken delektiert sich die Menschheit ja am liebsten. Kundige diskutieren derweilen über den bevorstehenden Repertoire-Wechsel der Netrebko. Koloraturen waren schließlich, das bestätigt auch die »New York Times«, nie ihre Stärke.
Selbst ihre viel bejubelte «Traviata« lebte nicht vom ersten Akt-Schluss, sondern von der seelenvollen Gestaltung des Rests.
Aber der Anteilnahme nicht genug! Was ist mit Rolando? Der Traumpartner mit den notorischen Problemen musste vor dem tenoral alles entscheidenden letzten »Lucia«-Akt als indisponiert entschuldigt werden. Und für die weltweite Kino-Performance der Met»Lucia« wurde Villazon durch Piotr Beczala ersetzt.
Bleibt neben der einen Hoffnung, Villazon möge bald sein inneres wie vokales Gleichgewicht wiederfinden, auch die andere, die Welt möge nun endlich hören, welch phänomenaler Sänger Beczala ist. Er hat in Wien übrigens auch schon die männliche Hauptrolle in Tschaikowskys »Jolanthe« hinreißend gesungen, die Villazon dieser Tage auch zurückgelegt hat: Er sollte sie in Baden Baden an der Seite Netrebkos verkörpern, ist aber beim Studium draufgekommen, dass sie ihm gar nicht liegt.
Nun fragt sich, wie durchlässig die Wahrnehmungsbarriere der Event- und PR-Gesellschaft eigentlich ist. Nimm man überhaupt zur Kenntnis, wer einspringt, wenn ein Superstar absagt? Ist der sogenannte Klassikmarkt nicht mehr und mehr zu einer Highlight-Konsumbörse geworden, auf der die immergleichen Interpreten die immergleichen Musikstücke möglichst häppchenweise zum Besten geben?
Dem steuern jetzt die Engländer entgegen: Ab sofort filtern sie die sogenannten Crossover-Produkte aus den Charts und bieten »pure Classic«. Da hat vielleicht auch Beethovens Fünfte (alle vier Sätze wohlgemerkt - und ohne Tango-Zusätze von Astor Piazzolla) wieder eine Chance. Ob damit die Lust der Medien wachsen wird, «pure Klassik« wieder ins Rampenlicht zu rücken, selbst wenn keine modeltauglichen Stars an ihrer Hervorbringung beteiligt sind?
Die ganze Welt nimmt Anteil am Schicksal des Opernliebespaares Nummer eins.
Ob Anna ihre Spitzentöne erwischt, war die meistdiskutierte Frage der vergangenen Wochen, denn die Netrebko hat nach ihrer Babypause als »Lucia di Lammermoor« ihr Comeback an der New Yorker Met gefeiert - und prompt mit ein paar missglückten »Acuti« Schlagzeilen gemacht. »Never mind«, befand der Rezensent der »New York Times«, der Ausdruck, mit dem diese Sängerin ans Werk geht, entschädige für jede Panne im Extrembereich, noch dazu, wo Donizetti die fraglichen Noten gar nicht in seiner Partitur festschrieb.
Gnadenlos, wie unsere Zeit nun einmal ist, steht der Livemitschnitt freilich sofort »online«. An Missgeschicken delektiert sich die Menschheit ja am liebsten. Kundige diskutieren derweilen über den bevorstehenden Repertoire-Wechsel der Netrebko. Koloraturen waren schließlich, das bestätigt auch die »New York Times«, nie ihre Stärke.
Selbst ihre viel bejubelte «Traviata« lebte nicht vom ersten Akt-Schluss, sondern von der seelenvollen Gestaltung des Rests.
Aber der Anteilnahme nicht genug! Was ist mit Rolando? Der Traumpartner mit den notorischen Problemen musste vor dem tenoral alles entscheidenden letzten »Lucia«-Akt als indisponiert entschuldigt werden. Und für die weltweite Kino-Performance der Met»Lucia« wurde Villazon durch Piotr Beczala ersetzt.
Bleibt neben der einen Hoffnung, Villazon möge bald sein inneres wie vokales Gleichgewicht wiederfinden, auch die andere, die Welt möge nun endlich hören, welch phänomenaler Sänger Beczala ist. Er hat in Wien übrigens auch schon die männliche Hauptrolle in Tschaikowskys »Jolanthe« hinreißend gesungen, die Villazon dieser Tage auch zurückgelegt hat: Er sollte sie in Baden Baden an der Seite Netrebkos verkörpern, ist aber beim Studium draufgekommen, dass sie ihm gar nicht liegt.
Nun fragt sich, wie durchlässig die Wahrnehmungsbarriere der Event- und PR-Gesellschaft eigentlich ist. Nimm man überhaupt zur Kenntnis, wer einspringt, wenn ein Superstar absagt? Ist der sogenannte Klassikmarkt nicht mehr und mehr zu einer Highlight-Konsumbörse geworden, auf der die immergleichen Interpreten die immergleichen Musikstücke möglichst häppchenweise zum Besten geben?
Dem steuern jetzt die Engländer entgegen: Ab sofort filtern sie die sogenannten Crossover-Produkte aus den Charts und bieten »pure Classic«. Da hat vielleicht auch Beethovens Fünfte (alle vier Sätze wohlgemerkt - und ohne Tango-Zusätze von Astor Piazzolla) wieder eine Chance. Ob damit die Lust der Medien wachsen wird, «pure Klassik« wieder ins Rampenlicht zu rücken, selbst wenn keine modeltauglichen Stars an ihrer Hervorbringung beteiligt sind?