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8. April 2008

Immer mit Lust an der Sache

Staatsoper Wien. Wieder in ihrer Idealpartie: Anna Netrebko als Manon.

Mit der Manon hat Anna Netrebko wohl ihre Idealpartie gefunden. Als kokettes, geschmeidiges Landmädel, das den Männern halb bewusst, halb unbewusst, immer aber mit Lust an der Sache den Kopf verdreht, ist sie unschlagbar.
Vom ersten Auftritt an beherrscht sie die Szene, macht dank ihrer Überpräsenz sogar vergessen, dass Wiens Staatsopernorchester, kaum ist der Premierendirigent aus dem Haus, schon wieder kein Hehl daraus macht, wie wenig es an Musik von Massenet interessiert ist.
Erst im letzten Akt, nachdem unter Claude Schnitzler manche, auch die schönste Phrase im wahrsten Sinne des Wortes neben den Singstimmen hergeschleppt statt mit diesen modelliert wurde, erwachen die Musiker aus ihrer Lethargie. Manons Todesszene evoziert nicht nur dank der hollywoodreifen Gestaltung der Titelheldin, sondern auch dank der plötzlich sensitiven instrumentalen Unterstützung ein Tränenmeer im Auditorium.

Der neue Des Grieux

Dann ist da noch der neue Des Grieux von Massimo Giordano, einer der besten jungen Tenöre, die in den vergangenen Jahren am Ring debütiert haben.
Er will den vokalen Künsten der Anna Netrebko nicht nachstehen - und da die weniger in farblicher als in dynamischer Schattierung bestehen, kontert Giordano mit ebenso strahlenden, sicheren Spitzentönen wie seine Bühnengeliebte - und setzt ihrer in wahrhaft berührendem Pianissimo gesungenen »Tischchen«-Arie viele hauchzarte Piani in der Traumerzählung entgegen.
Hie und da wird deutlich, dass Giordano an der Mixtur der Register noch arbeiten müsste, um die Stimme technisch makellos führen zu können. Was er aber an Gestaltungslust und vor allem an dramatischen Ausbrüchen liefert, ist beachtlich und sichert ihm, diesmal für einen erkrankten Kollegen eingesprungen, hoffentlich manch geplantes Engagement.

Zur Premierenbesetzung mit dem famosen Charakterkünstler Adrian Eröd als Lescaut kommen einige Debütanten, voran ein rechtschaffen unsympathischer Bretigny von Clemens Unterreiner und ein stimmschöner Morfontaine von Alexander Kaimbacher.

Das Publikum, das noch immer nicht weiß, wann in »Manon« Arien anfangen und wo sie zu Ende sind, applaudiert auch im rechten Moment herzhaft.

↑DA CAPO

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