Der Opernimpresario

Was wird aus Hans Gabors Erbe?
9. September 1994
Hans Gabor, Langzeitdirektor der Kammeroper, Veranstalter verschiedenster Musikprojekte, ist tot. Er hinterläßt ein enormes künstlerisches Erbe. Was daraus wird, steht in den Sternen.

Pietät ist unter Künstlern und vor allem unter »Kunstverwaltern« oft klein geschrieben. Hans Gabor, längstdienender Operndirektor der Welt, ist noch nicht begraben - nach Auskunft der Kammeroper steht nicht einmal der Begräbnistermin fest.

Die Intrigenküche kocht trotzdem bereits heftig. Neben der Kammeroper, die Gabor in Jahrzehnten aus dem Nichts zur weltweit geachteteten Institution aufgebaut hat, hinterläßt er noch den Belvedere-Wettbewerb für Opernsänger und das junge Festival im Schloßpark von Schönbrunn. Auf letzteres war Gabor besonders stolz, war es ihm doch gelungen, eine ärgerliche »Lücke« zu füllen: In Wien auch im Sommer Oper zu spielen.

Er wußte, daß das nur in großen Dimensionen gelingen würde, engagierte erstklassige Sänger, sparte nicht bei der Anschaffung einer geeigneten Bühne und einer Zuschauertribüne. Nun steht die Infrastruktur für Freiluftaufführungen vor der römischen Ruine zur Verfügung. »Mozart in Schönbrunn« war damit sogleich zum Markenartikel geworden. Gar nicht unter Mithilfe »gewachsener« sommerlicher Veranstaltungsstrukturen, sondern kraft alleinigen Antriebs. Das war seit jeher Gabors Geheimrezept gewesen. Und er verhalf damit der »elitären« Kunstform Oper zu ungeahnter Popularität.

Allein, hier droht Gefahr. Es wurden Gedanken formuliert, die Freiluftbühne künftig auch für den angeblich so wichtigen Ausbau Wiens zur Musicalmetropole zu nutzen. Obwohl der Erfolg solch krampfhafter Bemühungen bis dato nur den Veranstaltern einleuchten will und die Musikstadt Wien nach wie vor nicht begriffen hat, wie sie sich (siehe Theater an der Wien) über Mozart hinwegsetzen und mit Webber Ruhm und Ehre einheimsen soll - Geld ist ja mit Musicals, wie sich hinlänglich herausgestellt hat, nicht zu verdienen .  .  .

Anders liegen die Dinge in der Kammeroper. Sie hat Gabor, prachtvoll renoviert und technisch »aufgerüstet«, mit einer gediegenen Mischung aus Experimenten und klassischem Programm zu einem bedeutsamen Haus in Wien gemacht, dessen Linie von der großen Konkurrenz wie von anderen ähnlichen Aktivitäten deutlich zu unterscheiden war.

Hier freilich stünde im bewährten Kammeropern-Team mit Gabors langjähriger Stütze Isabella Rohrwasser eine kompetente Führung bereit. Diese könnte zum Wohle der Vielfalt der Wiener Musikszene die Kammeroper in Gabors Sinne weiterführen und so der vielleicht drohenden »Eingemeindung« des Hauses am Fleischmarkt in bestehende »größere Strukturen« entgegenwirken.

Ob durch Bundestheater oder städtische "Freie Gruppen"-Förderung, ein intaktes Theatergebäude ist stets gefährdet, vereinnahmt zu werden; ein Schritt, den sich Kulturpolitiker, die via Subventionen über Wohl und Wehe jedes Hauses entscheiden können, überlegen sollten!

A propos »Freie Gruppen«. Das Schönbrunner Schloßtheater, das jahrzehntelang von Hans Gabor allein für Sommer-Aufführungen genutzt wurde, ist seit einigen Jahren das beste Demonstrationsobjekt für Querelen um Spielstätten. Gabor mußte auf Druck der Stadt Wien und des "Hauptmieters" der Hochschule für Musik und darstellende Kunst - zwei August-Wochen an freie Veranstalter abtreten. Immerhin konnten sich dabei quirlige junge Leute erste Sporen verdienen.

Bleibt die Frage des Belvedere-Wettbewerbs, der sich dank Gabors unermüdlichem Einsatz, zur größten »Sänger-Börse« für Direktoren, Manager, Agenten entwickelt hat. Auch hier wird sich erweisen, daß, ganz in Gabors Sinn, nicht nur einfach Glanz zu ernten ist, sondern Jahr für Jahr zwölf Monate harte organisatorische Arbeit (mit Ausscheidungen in verschiedenen Städten der Welt) den Erfolg begründet. Diese Arbeit will erst einmal geleistet sein .  .  .

↑DA CAPO