Er, der strahlendste von allen

Luciano Pavarotti

7. September 2007

Die Stimme war von einer Strahlkraft, wie sie nur an Glückstagen in einem Opernhaus zu erleben ist.
Es gab Phrasen, deren Verve sich keiner im Auditorium entziehen konnte: Wenn Luciano Pavarotti etwa während der Verwandlungsmusik zum letzten Bild von Verdis »Maskenball« an die Rampe trat, um noch einmal den »seelenvollen Blick« seiner »geliebten Amelia« zu besingen, dann tat er das auch mit seelenvollen Tönen - und das Publikum schmolz dahin.
Es war die schiere Schönheit, das Leuchten dieser makellos geführten Tenorstimme, die ihre überwältigende Wirkung taten.

Puccini als Schicksalsengel

1961, als Pavarotti nach dem Sieg beim Gesangswettbewerb von Reggio Emilia im dortigen Opernhaus debütierte, ging schon die Nachricht von einem einzigartigen Stimmphänomen aus Modena, das sich als Versicherungsvertreter sein Studium zu verdienen hatte, um die Welt.
Der Rudolf in Puccinis "Boheme" wurde zur Schicksalsrolle des jungen Sängers, an der Mailänder Scala, in Londons Covent Garden Opera, auch an der Wiener Staatsoper, wo Pavarotti allerdings in seiner Glanzzeit nicht heimisch werden sollte.
Einige wenige Gastspiele - vor allem als Herzog in Verdis »Rigoletto« - erlebten die Wiener Melomanen, mussten dann aber bis zu Karajans Rückkehr, 1977, warten, um wenigstens drei Vorstellungen des Künstlers als Manrico im »Troubadour« live zu erleben.

Auch danach dauerte es sieben Jahre, bis Lorin Maazel, der Kurzzeitdirektor, den gefeierten Tenor endlich fester an das Haus am Ring binden konnte. Da war er dann, der (auch als Darsteller) tapsig-liebenswerte Nemorino im »Liebestrank«, der nach minutenlangen Ovationen stets seine Romanze wiederholen musste, der sieghafte Radames in »Aida«, der König Gustav im »Maskenball«, der Cavaradossi in »Tosca« - zuletzt auch, schon merklich angeschlagen, »André Chenier«.
Und immer waren es die eruptiven, die euphorischen Augenblicke, die in Pavarottis Interpretation am meisten überzeugten.
Weniger - wie bei manch anderem Kollegen - die zerbrechlichen Seelenprotokolle, sondern auftrumpfende Gesten wie das Finale des »Nil-Aktes« in der »Aida«, die erwähnte Szene im »Maskenball«, die »Vittoria«-Rufe des Cavaradossi - sie waren seine Domäne. In solchen Augenblicken war er unschlagbar.

Opfer auf dem Altar der Eitelkeiten

Wie die Auftritte bei den Salzburger Festspielen - nebst Liederabenden nur einmal mit »Idomeneo« auch ein anspruchsvoller Mozart-Versuch - gaben die Wiener Vorstellungen bald nur noch Ahnungen von den sicher-virtuosen Höhenjagden, mit denen er in den Sechziger- und Siebzigerjahren vor allem das amerikanische Publikum enthusiasmiert hatte. Zur lebenden Legende wurde »Big P«, wie ihn die PR-Branche bald taufte, in New York, Chicago und Los Angeles.
An den US-Häusern, der Metropolitan Opera zumal, gastierte er drei Jahrzehnte lang fast Jahr für Jahr. In den USA drehte er auch jenen - unsäglichen - Filmversuch, der den Startschuss zu einer Vermarktungskampagne gab, die aus einem grandiosen Opernhelden einen Klatschspaltenstar machen sollte.

Die »drei Tenöre«

Die Verbrüderung mit Jose Carreras und Placido Domingo, die 1990 anlässlich der Fußball-WM begann, brachte mit der → Marke »Drei Tenöre« den Höhepunkt der Kommerzialisierung - dass damit die Massen zu Opernfreunden geworden wären, ist eine jener falschen Behauptungen, die mit solchen Opferungen künstlerischer Tugenden auf dem Altar der Eitelkeiten gern einhergehen.

Luciano Pavarottis Stimme hingegen wird dank der herrlichen Tondokumente, die von seiner Kunst erhalten blieben, noch über Jahrzehnte hin die Hörer mitreißen. Immerhin gibt es - zwar nicht ganz legale, aber äußerst hörenswerte - Mitschnitte jener Gastspielreisen, die der Sänger an der Seite seines wunderbaren Kollegen Giacomo Aragall in Bellinis »Capuleti ed i Montecchi« absolvierte. Damals wurden »zwei Tenöre« zu einem veritablen Vokal-und Kunstereignis.
Es gibt die von Karajan dirigierten Puccini-Aufnahmen und Verfilmungen von Galavorstellungen, dirigiert von Maestri vom Format eines Lorin Maazel oder Carlos Kleiber - denn Pavarotti hat in seinem Bühnenleben in Sternstunden die exzellenten Partner gefunden, die er verdiente, nicht nur auf der Bühne mit Traumpartnerinnen wie Mirella Freni, Leontyne Price oder Joan Sutherland, sondern auch am Dirigentenpult.
In solchen Momenten war das Ereignis Pavarotti ganz und gar fühlbar.

Eine Krebserkrankung hat den Siebzigjährigen 2005 gezwungen, seine Abschiedstour zu unterbrechen.
Luciano Pavarotti starb 71-jährig im September 2007 in Modena.

↑DA CAPO